Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
ansehen,", sagte sie, "hätte sich auf mein Geheiß dir ein anderer Gegner in den Weg gestellt, als dieses Machwerk deiner Hände. Du hast mehr als nur Respekt vor ihm." Sie machte eine kleine Pause, sandte ihm einen langen, bösen Blick. Erst nach einigen Augenblicken fügte sie ihren Worten an: "Vielleicht, mein alter Freund, bedeutet dies am Ende deinen eigenen Untergang."
Dann legte sie den Ring in seine geöffnete Hand.
Der neue Weg
Den ersten Akt im Leben des Jungen habe ich abgeschlossen. Eltern und Geschwister waren nur Staffage, um ihn über die ersten Lebensjahre zu bringen. Dieses Schiff, mit dem sie allesamt in See stachen, hatte nicht die geringste Chance, sein Ziel zu erreichen.
Der Junge selbst kennt mich zwar noch nicht, er empfängt aber meine Stimme. Woher die ausdrückliche Warnung kam, die ihm verbat, mit dem Unglücksschiff in See zu stechen, ahnt er nicht einmal. Doch nahm er den an ihn ergangenen Aufruf ernst. Er hat zuvor schon Erfahrungen gemacht mit seiner ihm angeborenen Fähigkeit, zukünftige Ereignisse sporadisch vorauszusehen, ohne dass ihm die Kontrolle über Zeitpunkt und Art solcherlei Eingebungen obliegt. Die Familie hat diese Begabung nach außen hin nie ernstgenommen. In Wahrheit jagte sie jedem einzelnen von ihnen höllische Angst ein.
Nachdem Robert einen eher halbherzigen Versuch unternommen hatte, den älteren Bruder von seinem Wunsch, nach Großbritannien zu fahren, abzubringen, und darüber eventuell auch die Eltern zu beeinflussen, verschwand er im Getümmel der Reisenden einfach von dem noch im Hafen liegenden Schiff.
Seine Bindung zu dieser Familie war genauso schwach, wie ich es von Anfang an vorausgeplant hatte. Mit seinen neun Lebensjahren benimmt er sich kaum noch wie ein Kind. Bald schon wird er reif sein, in meine Lehre einzutreten.
Nach dem Auslaufen des Schiffes holte er sich eines der Kutschpferde der Familie aus den Ställen, wo sie für die Dauer der Reise untergebracht worden waren, und machte sich auf den Heimweg. Zwei Wochen redete er mit niemanden, zog sich schweigend in das Anwesen der Eltern zurück, nahm auch dort die Nachricht vom Tod seiner Familie in Empfang.
Er vergoss keine Träne.
Und nach Vollendung der genannten zwei Wochen suchte er einen alten Bekannten seines Ziehvaters auf, den Anwalt Josef Schmid. Er beauftragte diesen Mann mit seiner eigenen Vormundschaft. Diese Handlung überraschte selbst mich ein wenig. Ich war die ganze Zeit über in Bereitschaft, alles zu tun, dem Jungen zur Seite zu stehen, sein nicht geringes materielles Erbe, das ihn nun sicherlich von der lieben Verwandtschaft streitig gemacht werden wird, zu erhalten. Doch jetzt habe ich mich zurückgelehnt und beobachte mit Spannung, ob dieses Kind tatsächlich in der Lage sein wird, sich seine Ansprüche eigenständig zu sichern.
Robert ist es im Folgenden gelungen, die Vormundschaft des ausgewählten Anwalts gerichtlich abzusichern. Josef Schmid selbst wird von dem Jungen derartig gut bezahlt, dass er es nicht für nötig halten wird, die Freiheiten seines nicht einmal halbwüchsigen Auftraggebers in irgendeiner Weise zu beschneiden. Im nächsten Schritt hat der Junge begonnen, die Geschäftsvorgänge seines verstorbenen Ziehvaters abzuwickeln. Der Anwalt unterschreibt alles, was Robert ihm vorlegt.
Es ist nicht zu leugnen, dass es mich mit einer gewissen Faszination und sicherlich auch mit einigem Stolz erfüllt, diese äußerst zielgerichteten Handlungen zu beobachten. Er hat einen klaren Verstand und einen festen Willen. Statt über sein Schicksal zu jammern nimmt er es fest selbst in die Hand. Auch den Kampf gegen die Ansprüche verschiedener englischer Verwandter hat er bereits aufgenommen. Ich bin mir recht sicher, dass es diesen Leute nicht gelingen wird, dem Anwalt Josef Schmid die Vormundschaft für das Kind abspenstig zu machen und somit gleichzeitig das Familienerbe unter ihre eigene Kontrolle zu bringen. Die englischen "Uncles" werden mit ihren Plänen scheitern. Und diese Tatsache wird nicht dem Herrn Schmid zuzuschreiben sein.
Robert zu mir zu holen wird mir große Genugtuung bereiten. Eine bessere Ausgangsbasis für den Empfang meiner Lehren hat es nie gegeben. Schon jetzt ist der reichliche Lohn all meiner Mühen sichtbar.
Ich habe den beiden Männern genaue Anweisung gegeben, wo sie sich zu postieren haben. Sie sind bewaffnet, aber nicht befugt, den Jungen zu gravierend verletzen, falls sie es
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