Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
Schuppens bot nur einen schemenhaften Anblick. Erst, als seine Augen sich etwas an das Zwielicht gewöhnt hatten, erkannte er das völlige Chaos, das ihn hier umgab. Für Robin nicht definierbare, zertrümmerte Gerätschaften lagen verstreut herum, die wohl von den Pferdehufen zerschlagen worden waren. Und inmitten all der Verwüstung erblickte er tatsächlich einen Menschen, eine im Dämmerlicht grau wie die ganze Umgebung wirkende Gestalt. Die Person saß am Boden und Robin konnte ihren schweren Atem hören. Die eben noch erstickende Luft hatte sich innerhalb kürzester Zeit fast vollständig geklärt.
Robins Herr blieb stehen, den Blick auf den Gegner gerichtet und schwieg. Obwohl ihr erklärter Feind nicht mehr kampfbereit erschien, konnte Robin es kaum ertragen, ihm so scheinbar ungeschützt gegenüberzustehen. Ihr Gegenüber, dessen Gesicht Robin mittlerweile ein wenig besser erkennen konnte, stemmte sich Kraft beider Hände mühsam auf die Beine. Dieses Mal machte Robert Adlam einen völlig anderen Eindruck auf ihn, als bei ihrer letzten Begegnung, in dem von Scherben bedeckten Schlafzimmer der jungen Frau. Sein Gesicht war bleich, die Wangen nass von Tränen oder Schweiß. Er war eindeutig stark geschwächt und mühte sich merklich darum, auf den Beinen zu bleiben. In Robin stieg die Hoffnung auf, dass sein Herr tatsächlich bereits gesiegt hatte und dieses Szenario in wenigen Sekunden ein Ende haben würde.
"Feigling", sagte Robert leise, doch mit unüberhörbar tiefer Verachtung.
Der Meister quittierte diese Beleidigung mit einem Lächeln und erklärte: "Ich war sehr bemüht, dich in einen Zustand zu versetzen, in dem eine Unterredung möglich ist."
"Reden...", war die zweifelnde, wiederum mit schwacher Stimme gesprochene Erwiderung.
"Reden", bestätigte Robins Herr. "Aber nicht hier und jetzt. Du wirst mich an einen anderen Ort begleiten. Und wenn es dir wieder besser geht, werden wir sicher in einem klärenden Gespräch eine Einigung finden."
Der Meister griff in seine Manteltasche und förderte ein Stück schwarzen Stoff und zwei kurze Seile zu Tage, die er Robin reichte. Dann trat sein Herr mit langsamen Schritten auf Robert zu, der unter sichtlicher Anstrengung stehen blieb und ihm entgegenblickte. Robin folgte seinem Herrn nach nur kurzem Zögern.
Der Meister blieb mit geringem Abstand vor dem Feind stehen. Robin hörte ihn Worte der Alten Sprache flüstern und sogleich spürte er ein hartes Kribbeln auf der Haut. Ein Knistern und Knacken im Gebälk des Schuppens, das im selben Moment einsetzte, beunruhigte Robin zusätzlich. Sie mussten zusehen, dass sie hier herauskamen.
In dem Augenblick, als der Meister seine Hände nach seinem Gegenüber ausstreckte, gaben Roberts Beine nach und er stürzte vornüber, direkt in die Arme von Robins Herrn. Doch der Meister fing ihn nicht auf, sondern drehte sich plötzlich zur Seite weg, während er abrupt verstummte.
Derart schnell, wie diese Dinge abliefen, vermochte Robin sie kaum zu verfolgen. Dass sein Herr den Feind im Zuge einer weiteren Drehung seines mächtigen Körpers zu Boden schlug, war das Ende eines kurzen, wohl kaum ausschließlich mit sichtbaren Waffen geführten Kampfes. Erst jetzt entdeckte Robin voll Entsetzen den dünnen Metallstab, der wie das stumpfe Ende eines Pfeils zwei Spannen weit aus der Seite seines Meisters herausragte. Wahrscheinlich hatte der Feind direkt auf sein Herz gezielt und nur aufgrund des schnellen Ausweichens seines Opfers den tödlichen Stich verfehlt. Der Meister warf nicht einmal einen Blick an sich herab. Er wandte sich dem auf dem Lehmboden liegenden Gegner zu und fixierte ihn mit zu schmalen Schlitzen verengten Augen, während die Alte Sprache, diesmal sehr viel lauter und härter, aufs Neue aus seinem Mund erklang. Es war Robin, als prallten die Worte schmerzhaft wie kalter Hagel auf seine Haut.
"Zieh ihm die Kapuze über und schnür sie fest", wies sein Herr ihn kurz an und führte im nächsten Atemzug, als hätte er nie ausgesetzt, seine Beschwörung in der Alten Sprache fort.
Robin folgte dem Befehl seines Herrn Zögern, sein Vertrauen besiegte kampflos jede Furcht. Er kniete sich neben Robert auf den harten Boden, während der unsichtbare Hagel noch immer auf ihn herabprasselte, und spürte eine erstaunliche Hitze vom Körper dieses Mannes ausgehen, beinah wie von einem brennenden Feuer. Sein Meister würde die Erklärung wissen. Welche ein Trost, dass es jemanden gab, der all dies verstand. Erst,
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