Elwin - Rosenwasser (German Edition)
lachten. Jemand ermahnte sie, leise zu sein. Schnell überquerten sie die Brücke. Einer rief: »Verschließt das Tor! Befehl vom Boss.«
Elwin hob den Kopf und spähte durch ein Loch hinaus. Die Männer, die die Schatzkiste geraubt hatten, drückten das Tor zu und verschlossen es. Er sah eine hölzerne Sitzbank, dahinter einen Tisch und eine Feuerstelle. Dann wurde es dunkel. Modriger Geruch drang in die Kiste und sie stiegen eine steinerne Treppe hinauf. Licht fiel durch einen schmalen Schacht in der Mauer.
Eine Tür wurde geöffnet, ein Mann sprach mit rauer Stimme. Die Männer stellten die Kiste auf einen Tisch. Dann war es gespenstig ruhig. Elwin lauschte. War er allein, hatten die Männer ihn verlassen? Er schaute durch ein Loch und sah schemenhaft einen Stuhl am Ende des Tisches stehen. Ein Schatten legte sich über die Schatzkiste, ein Gesicht schob sich vor, dann sah er direkt in das grüne Auge eines Mannes. Der hob den Kopf.
»Ihr habt verdammt gute Arbeit geleistet«, sagte er. »Prinz Taron wird euch für immer dankbar sein und eure Treue nie vergessen. Hebt eure Gläser. Auf Prinz Taron, meine Herren.«
»Auf Prinz Taron und Rago«, erwiderten die Männer.
Der Kerl ist also Rago, dachte Elwin. Hatte der doch sofort eines der winzigen Löcher entdeckt! Eigentlich sollte Elwins Herz vor Angst bis zum Hals schlagen, aber er blieb erstaunlich ruhig. Sie würden nichts unternehmen, das ihm gefährlich werden könnte. Jedenfalls noch nicht. Sie hatten beide Schatzkisten geraubt, die Feen würden zugrunde gehen und Taron von dem Fluch erlöst werden.
»Die Schatzkiste weist kleine Unterschiede zur anderen auf«, erklärte Rago auf einmal. »Seht sie euch genau an. Sie ist etwas größer, das Holz ist eine Spur heller. Auf dieser Seite hat sie ein kleines Loch. Auch die Schlösser sind breiter.«
Die Männer versammelten sich um den Tisch und begutachteten die Kiste. Elwin tastete sachte den Boden ab, fand einen Stopfen, steckte ihn behutsam in das Loch, das Rago entdeckt hatte, und lauschte. Die Worte der Männer würden ihm mehr verraten, als er beobachten konnte. Elwin spürte geradezu durch das Holz, wie deren Blicke auf der Schatzkiste ruhten. Und nicht nur die Augen. Einer legte die Hand auf den Deckel, ein weiterer klopfte mit den Fingerspitzen auf das Holz. Dann zerrte jemand am Deckel, doch Rago ermahnte: »Lass das, Jerri.«
»Wollen wir sie aufbrechen, Rago? Diese sieht neuer aus als die andere.«
»Wenn eine falsch ist, dann ist es die!«, bemerkte einer.
»Wir haben darüber gesprochen. Die Kisten bleiben verschlossen«, befahl Rago. »Stellt sie im Turm auf den Tisch. Die anderen wissen, wo wir sind, aber bis Mitternacht können die uns nicht mehr gefährlich werden. Jerri und Nallan, räumt den Hof auf, werft die Tarnung, das Laub und das Gestrüpp weg. Dann wascht euch und zieht euch um. Bald ist Mitternacht. Prinz Tarons Garde darf nicht wie eine stinkende Räuberbande auftreten!«
Das Rosenwasser
Der Raum war ebenso dunkel wie der erste, in den er getragen wurde. Elwin schaute durch das kleine Guckloch und versuchte, sich ein Bild von der Burg, den Räumen und den Männern zu machen. Vier Männer trugen die Schatzkiste in ein Hinterzimmer und stellten sie mit einem satten Knall auf einen hölzernen Tisch. Kerzen brannten an den Wänden und in einem Leuchter. Im Raum stand ein Bett mit rotem Bezug. Ein Mann stöhnte, die Stimme klang kraftlos.
»Was ist mit ihm?«, fragte ein Mann.
»Prinz Taron leidet unter dem Schmerz des Fluches, der seinen Körper qualvoll verlässt. Aber bald wird er davon erlöst und sein Geist nicht länger eingesperrt sein.«
Die Männer verließen den Raum. Elwin hob den Kopf, schaute durch ein anderes Loch und sah einen alten mageren Mann. Die faltige Haut war weißgrau, das Gesicht bis auf die Knochen eingefallen. Er saß neben dem Kopfende des Tisches auf einem hohen Lehnstuhl, neigte sich ständig vor und zurück und murmelte vor sich hin.
Elwin lauschte. Die Geräusche, die er hörte, kamen wohl von Taron. Die Männer waren gegangen. Er drehte sich auf die linke Schulter, schob die rechte Pfote vor, tastete nach dem Riegel und löste ihn. Sollte er es wagen, die Tür zu öffnen? Er durfte nicht allzu lange warten. Die Zeit bis Mitternacht war bald verstrichen, und er musste noch den langen Weg zurück nach Longor finden.
Entschlossen drückte er gegen die Tür. Knirschend schwang sie ein Stück auf. Ein kleiner Spalt ließ Licht in die Kiste
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