Elysion: Roman (German Edition)
eine reinzuhauen. Doch dann kam ihm eine ungleich bessere Idee.
»Du bist ziemlich kräftig gebaut«, sagte er so laut, dass es jeder hören konnte.
»Findest du.« Rasim fühlte sich sichtlich geschmeichelt. »Mein Vater war Amateurringer. Äh … haben mir jedenfalls die Leute erzählt.«
»Dann weißt du ja, wie man jemanden festhält.«
»Na ja, schon. Äh … wie meinst du das?«, fragte Rasim schon etwas misstrauischer.
»Nun, Ruby kann da sicher nicht runterklettern. Irgendwer muss sie sich auf den Rücken packen.«
»Alter, spinnst du?«, rief Rasim. »Das geht nicht. Das kann ich nicht!«
»Klar geht das. Wir nehmen meinen und deinen Gürtel und binden sie dir damit auf den Rücken. Du bist echt kräftig, du kriegst das hin. Da kann nichts passieren.«
»Nein.« Rasim schüttelte vehement den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. »Darum kannst du mich nicht bitten.«
»Von Bitten war nicht die Rede. Immerhin bin ich hier der Anführer.«
Jimmy sah, wie Rasims Züge entglitten. Verblüfft starrte er sein Gegenüber an. Dann verfinsterte sich seine Miene, und er wollte wissen: »Und du? Was ist mit dir? Warum trägst du sie nicht selbst?«
»Ich werde voranklettern«, entgegnete Jimmy. »Wenn irgendwo eine Sprosse locker sitzt oder uns dort unten einer von den Malachim erwartet, bin ich der Erste, der es herausfindet. Oder möchtest du tauschen?«
Rasim kaute auf seiner Unterlippe. Doch schließlich wich sein Missmut einem breiten Grinsen. »Schon okay, Alter. Das war echt chefmäßig. Hast mich überzeugt.«
12
»O mein Gott.«
Es waren Stacys erste Worte seit Stunden, wenn auch nur geflüstert. Ausnahmsweise teilte Cooper ihr Entsetzen. Vorsichtig hob sie ihren Kopf etwas weiter aus dem Buschwerk, in dem sie sich versteckt hatten. Sie befanden sich direkt am Waldrand, und vor ihnen lag eine große Lichtung. Und direkt gegenüber auf dem Hügel stand das Gebäude aus Coopers Träumen. Jetzt wusste sie, dass es keine Träume waren. Sie hatte dieses Gebäude schon einmal gesehen. Mit den Augen des Malach, der neben ihr hockte.
»Azrael?«
Er drehte sich um. Den Namen hatte sie ihm gegeben. Er war ihr auf dem Weg hierher eingefallen. Sie hatte sich an ein altes Buch aus dem Regal ihres Vaters erinnert, so ein richtiger Lederfoliant mit braunen Seiten, die sich zwischen ihren Fingern mürbe und brüchig angefühlt hatten. Sie konnte sich nicht mehr an den Titel erinnern, aber es war etwas über Engel gewesen. Ihr Vater hatte ihr daraus ein bisschen vorgelesen, und Azrael war einer der Namen, an den sie sich erinnerte.
Jetzt hatte sie ihren eigenen Engel. Nicht so hübsch wie auf den Bildern des Buches, aber mindestens so mächtig.
»Ist es das?«, fragte sie.
Er nickte.
»Das müssen ja Hunderte sein«, flüsterte Stacy.
Cooper schwieg und ließ ihren Blick über die Lichtung schweifen. Ein Meer von Köpfen. Köpfe ohne Haare und Haut. Seltsam starre Augen. Die Körper wiegten sich hin und her.
Malachim, wohin man nur blickte.
Stacy ergriff Coopers Schulter. Ihre Finger fühlten sich klamm an. »Cooper, ich bitte dich. Lass uns hier verschwinden.«
»Das kann ich nicht, und das weißt du, Stace.«
»Was meinst du damit?«, fragte ihre Freundin verzweifelt.
»Wir sind kurz vorm Ziel. Da drinnen sind die Medikamente für Big Mama.«
»Erzähl mir keinen Scheiß, Cooper Kleinschmidt. Die Medikamente interessieren dich doch überhaupt nicht.«
Erschrocken über Stacys schrillen Ton fuhr Cooper herum. »Schrei gefälligst nicht so laut. Oder willst du, dass sich diese Monster auf uns stürzen?«
»Falls du es noch nicht gemerkt hast, einer von denen sitzt direkt neben dir«, fauchte Stacy giftig. »Woher willst du wissen, dass der nicht gleich seinen Kumpels Bescheid gibt?«
Cooper schüttelte den Kopf. Ihre Freundin war kaum noch wiederzuerkennen. Seit sie sich auf die Suche nach dem Geheimlabor gemacht hatten, pendelte ihr Gemütszustand zwischen Jammerlappen und Furie, und es wurde immer schlimmer. Stacy hatte ihrer aller Leben riskiert, als sie sie in den Fluss gestoßen hatte, und Brent war möglicherweise tatsächlich draufgegangen. Nun ja, Coopers Trauer darüber hielt sich nach ihren letzten gemeinsamen Erlebnissen allerdings in Grenzen.
Jedenfalls wurde immer offensichtlicher, dass Stacys wahres Problem Coopers Hoffnung war, ihren Vater zu finden. Stacy war eifersüchtig, das war völlig klar. Auch wenn Cooper nicht die geringste Ahnung hatte, warum. Die Suche nach
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