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Elysion: Roman (German Edition)

Elysion: Roman (German Edition)

Titel: Elysion: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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stürzen.
    Es dauerte ein Weilchen, aber dann schien sich Ruby allmählich zu entspannen.
    »Sie sollte jetzt auch etwas Wasser trinken«, sagte Cooper.
    »Aber wir haben hier drinnen kein Wasser.«
    Verdutzt starrte sie ihn an. Dann schüttelte sie ungläubig den Kopf, wandte sich wieder dem Regal zu und zog einen zweiten Karton hervor. »Isotonische Kochsalzlösung« stand darauf. Sie riss auch diesen Karton auf und nahm einen der darin enthaltenen Beutel heraus. Bevor Jimmy protestieren konnte, hatte sie sein Messer aus dem Gürtel gezogen und ein kleines Loch in den Beutel gestochen. Sie kniete sich neben das Mädchen, das mit halb offenen Augen auf dem Boden lag, und drückte ihr die Flüssigkeit aus dem Beutel in den Mund.
    »Sie muss noch mehr trinken«, sagte Cooper, »und ihr auch, so wie ihr alle ausseht. Das Zeug schmeckt ein bisschen salzig, aber es hat alles, was man braucht. In der Stadt waren wir immer froh, wenn wir es in einem verlassenen Krankenhaus gefunden haben.« Sie drückte dem verdutzten Jimmy ein paar Beutel in die Hand. »Ich sehe nach, ob ich irgendwas Fiebersenkendes für die Kleine finde.«
    Jimmy und der Orientale starrten sie an wie eine Erscheinung.
    »Danke«, murmelte Jimmy leise, aber hörbar.
    Sie grinste. »Dafür nicht, Hinterwäldler.«

    Stacy starrte gebannt auf das Gesicht hinter dem Glas des Bullauges. Es war jene Tür, durch die Brent vor einigen Momenten – oder waren es Stunden? – hindurchgeglitten war wie ein Gespenst.
    Sie betete inständig, dass das Gesicht hinter dem Glas wirklich nur ein Gespenst war. Sie hatte gehofft, dieses Gesicht nie wieder sehen zu müssen. Sie kniff die Augen zu. Vielleicht würde es einfach verschwinden. Wie ein böser Traum, ein Trugbild.
    »Ich hätte nie gedacht, dass wir uns noch einmal wiedersehen.«
    Die Stimme war zu laut und zu deutlich für ein Gespenst. Sie schien aus derselben Quelle zu kommen wie die Sirene. Sie steckte sich die Finger in die Ohren und begann, vor sich hinzusummen. Ein einfaches Kinderlied. Big Mama hatte es früher gesungen, wenn Stacy nicht hatte einschlafen können, weil einer der Raubzüge der Gang wieder so blutig geworden war, dass die Bilder sie nachts verfolgten.
    »Du bist groß geworden. Genau wie Cooper. Sie hat von dir erzählt.«
    Die Stimme ließ ihr Innerstes vibrieren. Stacy summte so laut sie konnte. Sie versuchte sich in Erinnerung zu rufen, wie Cooper damals ausgesehen hatte. Sie war wohl auf dem Weg von der Schule nach Hause gewesen. Stacy hatte vom ersten Moment an gewusst, dass sie die Schwester war, die sie sich so sehnlich gewünscht hatte.
    »Offenbar erinnert sie sich nicht an jenen Tag.« Die Stimme donnerte, füllte den ganzen Raum aus. »Oder zumindest nicht an dich.« Stacy summte, jammerte, wand sich mit zugekniffenen Augen. Ihr Kopf schmerzte fürchterlich. Ihr Unterleib fühlte sich gleichzeitig heiß und taub an. »Das heißt, an dein damaliges Ich.«
    »Bitte …«, schrie Stacy.
    »Bitte?«, wiederholte die Stimme. »Ich glaube, dieses Wort habe ich an jenem Tag auch gebraucht. Es hat mir nichts genützt. Ich habe alles verloren, was ich jemals geliebt habe. Weißt du, wie es sich anfühlt, wenn dir bei lebendigem Leib das Herz aus der Brust gerissen wird? Es gibt nichts Schlimmeres als die, die man liebt, leiden zu sehen und nichts dagegen tun zu können. Ich konnte nicht mehr schlafen. Wochenlang. Monatelang. Und wenn mir dann doch die Augen zufielen, kamen die Bilder. Kannst du dir das vorstellen? Kannst du das?! «
    »Es … tut mir leid.«
    Stille.
    Hatte sie das gerade gesagt? Ihr Gesicht fühlte sich heiß an. Verwundert rieb sie sich die Augen. Die Wangen darunter waren ganz feucht. Sie weint, dachte sie erstaunt. Arme Stacy. Du warst doch noch so klein.
    Stille.
    Sie öffnete die Augen. Immer noch klebte das Gespenstergesicht an der Scheibe. Völlig reglos. Dann ertönte wieder die Sirene, und die Augen in dem Gesicht zuckten.
    »Ja.« Die Stimme war nicht mehr ganz so laut wie vorher. »Mir tut es auch leid.«
    Das Gesicht verschwand, so wie Brent plötzlich verschwunden war. Dann aber erschien es wieder.
    »Fast hätte ich es vergessen«, sagte die Stimme. »Bald werden hier die Feuer der Hölle toben. Und du hast jetzt einen Platz in der ersten Reihe.«
    Das Gesicht betrachtete sie noch eine Weile. Dann verschwand es. Diesmal für immer.

    David traute seinen Augen nicht. Die Hand vor seiner Brust flirrte halb durchsichtig vor der Flammenwand. Doch es war kein

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