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Elysion: Roman (German Edition)

Elysion: Roman (German Edition)

Titel: Elysion: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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jedes Zeitgefühl verloren.
    Ängstlich sah sie sich um. Etwas wie diesen Ort hatte sie noch nie gesehen. Überall verliefen dicke metallene Rohre, manche einzeln, manche in Bündeln vor der mit dickem grünem Lack bestrichenen Wand. Es erinnerte sie an Bilder aus dem Maschinenraum eines großen Schiffes, die sie irgendwann vor dem Bürgerkrieg mal in einer Zeitschrift gesehen hatte. Und die Luft roch seltsam. Irgendwie künstlich und metallisch. Auch war es unangenehm heiß, was ihren Durst nur noch schlimmer machte. Eine kleine Glühbirne klebte an der Decke wie ein einsamer Stern an einem trostlosen Firmament.
    Sie versuchte sich zu erinnern, wie sie hergekommen waren. Doch unmittelbar nach dem, was Brent ihr im Schlafquartier angetan hatte, versagte ihr Gedächtnis, fast so, als sei sie vorübergehend bewusstlos geworden. Eines aber stand fest: Sie war mit Brent in diesem Raum gefangen, der nur zwei Zugänge hatte.
    Wahrscheinlich waren es diese Zugänge, die sie am meisten an ein Schiff erinnerten, denn im Gegensatz zu allen anderen Türen, die sie bisher im Institut gesehen hatte, bestanden sie aus dickem Stahl und hatten eine Art Bullauge ungefähr auf Gesichtshöhe. Offensichtlich waren sie so mächtig, dass der schrille Alarm, den sie von den Korridoren noch in Erinnerung hatte, nur als schwaches Seufzen zu hören war. Beide Türen wurden von riesigen Scharnieren gehalten, wiesen aber nichts auf, was auch nur entfernt wie ein Öffnungsmechanismus aussah.
    »Die können nur aus der Ferne aufgesperrt werden.«
    Stacy zuckte unter seiner Stimme zusammen.
    Langsam drehte er sich zu ihr um. Bei seinem Anblick revoltierte ihr ohnehin geplagter Magen, und ihr wurde für einen Moment speiübel. Nur mit Mühe gelang es ihr, sich nicht zu übergeben.
    Vor ihr stand ein bizarres Mischwesen, halb Mensch, halb Malach. Seine Haut war nur noch ein halb durchsichtiger Nebel, der den Blick auf seine darunterliegende Anatomie mehr schlecht als recht verhüllte. Dass er – oder es –, anders als die Malachim draußen, immer noch Brents mittlerweile reichlich zerlumpte Kleidung trug, machte den Anblick nur noch grotesker.
    Sie nahm ihren Mut zusammen. »Was ist mit dir passiert?«
    Er zuckte die Schultern. »Nichts, was jemand wie du verstehen könnte.«
    Die Verachtung in seiner Stimme schnürte ihr die Kehle zu. Auch die nächste Frage kostete sie einige Überwindung. »Wo sind wir hier?«
    Er beugte sich zu ihr hinunter. Es roch nach rohem Fleisch. Sie wandte das Gesicht ab und schluckte eine erneute Welle der Übelkeit herunter.
    »In ein paar Stunden wird hier ein neuer Stern geboren, Stace. Dann sind du und ich im Mittelpunkt der Sonne.«
    Er war jetzt so dicht vor ihr, dass sie schon das Gefühl hatte, seine klebrige Oberfläche auf sich zu spüren. Unwillkürlich versuchte sie nach hinten zu rutschen, doch sie saß bereits an der Wand.
    »Was meinst du damit?«, fragte sie ängstlich.
    Er richtete sich wieder auf und breitete genüsslich die Arme aus. »Spürst du es denn nicht? Das schwarze Licht, das hier alles durchdringt?«
    Sie schüttelte vorsichtig den Kopf. Dieser Kerl hatte nichts mehr mit dem Brent zu tun, den sie gekannt hatte. Was war nur mit ihm passiert? Was immer es war, es musste unvorstellbar schrecklich gewesen sein, wenn es ihn in dies hier verwandelt hatte.
    »Es tut mir leid, Brent. Ehrlich.«
    »Wovon redest du?« Für einen kurzen Moment sah er ehrlich verwirrt aus.
    »Na ja, dass ich dich in den Fluss geschubst habe.«
    »Ah … das meinst du. Wolltet mich loswerden, du und die andere Schlampe«, zischte er.
    »Nein, Brent«, versicherte sie schnell. »Es tut mir ehrlich leid. Ich … Ich wollte doch nur … Eigentlich wollte ich doch nur, dass Cooper nicht …«
    Sie überlegte verzweifelt, was sie sagen sollte, doch der hasserfüllte Blick seiner Augen verwandelte ihren Geist in ein Vakuum, verbrannte ihr Innerstes zu einem kleinen Aschehaufen. Ein paar Sekunden später wusste sie schon gar nicht mehr, warum sie eben noch irgendetwas hatte fragen oder erklären wollen. Hunger, Durst und Erschöpfung ließen sie in einen Zustand irgendwo zwischen Wachen und Ohnmacht gleiten, in dem ihre Gedanken aus dem Raum schweiften und zu glücklicheren Orten schwebten.
    Doch schließlich holte ihr gepeinigter Körper sie wieder in die trostlose Wirklichkeit zurück. Es fühlte sich an, als ob ihre Zunge von Sekunde zu Sekunde dicker wurde.
    »Durst …« Das war alles, was sie noch sagen konnte.
    »Oh.

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