Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elysion: Roman (German Edition)

Elysion: Roman (German Edition)

Titel: Elysion: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
Vom Netzwerk:
bin ich, Raynelle.«
    »Es ist so dunkel hier …«
    »Ich hab das Licht ausgemacht, um deinen Schlaf nicht zu stören. Warte kurz, ich zünde die Lampe an.«
    Statt der Tranfunzel nahm er die Butanlampe vom Regal. Zwar gingen seine Kartuschen allmählich zur Neige, aber Raynelle war es ihm wert. Seine Finger zitterten ein wenig, als er den Glühstrumpf entzündete. Dann ging er mit der Lampe zurück zu dem Liegestuhl und stellte sie vorsichtig auf einem Hocker ab, zog sich einen zweiten heran, setzte sich und ergriff ihre Hand.
    Erst da sah er ihr Gesicht, und er musste an sich halten, um nicht zu schreien. Seine Hoffnungen zerstoben in diesem Moment. Diese Frau war dem Tod geweiht. Ihr Gesicht war aschgrau. Ihre Wangen waren eingefallen, und ihre Augen lagen so tief in den Höhlen, dass es schwer war, in ihr die Freundin wiederzuerkennen, die er so lange gekannt hatte.
    Er sah, wie sich ihr Mund zur grausigen Karikatur eines Lächelns verzog. »Danke für das Licht, alter Freund.«
    »So kann ich deine Schönheit besser bewundern.«
    »Schmeichler.«
    »Dazu fehlt mir jede Begabung.«
    Sie schwieg eine Weile, dann setzte sie wieder an. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Ich habe es immer gewusst …«
    »Was hast du immer gewusst, Raynelle?«
    »Deine Blicke. Sie haben dich verraten damals. Du warst in mich verliebt, mein Kleiner.«
    »Wer war das nicht, Raynelle?«
    Ihr Kichern ging in einen Hustenanfall über. Es dauerte eine Weile, bis sie wieder sprechen konnte. »Schade, dass ich damals so dumm war, mich mit Jameen einzulassen. Wir wären ein schönes Paar gewesen, du und ich. Aber ich stand eben damals auf die bösen Jungs, und du warst viel zu nett und wohlerzogen für jemanden wie mich.«
    »Tja, so war es wohl.«
    Sie sah ihn eine Weile lang an. Wenn er sich ganz auf ihre Augen konzentrierte, konnte er wieder das Gesicht der jungen Schönheit entstehen lassen, die sie mal gewesen war. Sie hatte ihn schier um den Verstand gebracht mit ihrem Duft und dieser Haut, die glatter war als Onyx. Er hätte alles für sie getan. Ein Arzt, der sich der Gang seiner Patientin anschloss, nur um in ihrer Nähe zu sein. Er würde immer noch alles für sie tun.
    »Wo sind Cooper und Stacy?« Sie drehte den Kopf ein paar Millimeter, aber der Schein der Butanlampe erhellte nur einen Teil des riesigen Beckens.
    »Sie sind auf der Suche nach Medikamenten für dich, Raynelle.«
    Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. Fast schien es, als wollte sie sich aufrichten, aber der Versuch starb im Ansatz.
    »Das hättest du nicht zulassen sollen«, hauchte sie entkräftet.
    »Es tut mir leid, Raynelle. Cooper ließ sich nicht davon abbringen. Aber ich glaube, sie ist noch aus einem anderen Grund gegangen.«
    »Welchen anderen Grund?«
    »Sie glaubt, eine Spur ihres leiblichen Vaters entdeckt zu haben.«
    Gregory hätte es kaum für möglich gehalten, aber ihr Gesicht wurde nun erst recht fahl, und ihre Augen schienen noch tiefer einzusinken. Für einen Moment schien sie gegen die Schwere ihrer Zunge anzukämpfen, dann fand sie ihre Stimme wieder.
    »Es gibt da etwas, das ich dir erzählen will, und du musst mir versprechen, es Cooper weiterzuerzählen, wenn du sie wiedersiehst.«
    »Warum erzählst du es ihr dann nicht selbst?«, fragte er sie.
    »Du warst noch nie besonders gut darin, die Sorge um einen Patienten zu verbergen. Ich kann meinen Zustand an den Falten in deiner Stirn ablesen.«
    Er hob die Schultern. »Hast mich durchschaut.«
    »Hab ich doch immer. Aber jetzt hör mir zu. Ich muss dir aus einer Zeit erzählen, als du die Gang schon wieder verlassen hattest. Es geht um den Tag, an dem Cooper zu uns kam.«
    »Leg los, Raynelle«, sagte er mit einem unguten Gefühl im Bauch.

    Später in der Nacht, lange nachdem sie ihre Geschichte beendet hatte, saß er immer noch im Schein der Lampe an ihrem Bett. Ein oder zwei Stunden hatte sie sich unruhig hin- und hergeworfen, dann war sie in einen ruhigen Schlaf gefallen.
    Er selbst fand keine Ruhe. Vielleicht weil die Geschichte, die sie ihm erzählt hatte, ihn so aufwühlte oder weil er befürchtete, dass es mit ihr zu Ende ging.
    Seine Ahnung sollte ihn nicht trügen. Gegen Morgen, als draußen die allerersten Vögel erwachten und ein diffuses Licht durch seine Dachkonstruktion in das Becken drang, hob sich ihre Brust zu einem heftigen Seufzer und senkte sich dann wie ein menschliches Blasebalg. Ihr Körper sank zusammen, und der letzte Rest Spannung wich aus ihren

Weitere Kostenlose Bücher