Elysion: Roman (German Edition)
irgendeines geliebten Menschen mit ihrem Vater in Verbindung zu bringen. Es war absurd. Cooper kam sich vor wie in einem bösen Traum. Ein Teil von ihr wollte einfach nur weglaufen und sich irgendwo verkriechen, aber dann hätte sie Jimmy und die anderen im Stich gelassen, und das wollte sie auf keinen Fall.
»Vater«, bat sie. »Sag, dass das nicht stimmt.«
Ihr Vater, der sich bisher ganz auf die Kinder konzentriert hatte, richtete seinen Blick nun auf sie – und Cooper erschrak.
Sie wusste nicht, was sie in seiner Miene erwartet hatte. Den Ausdruck von Entsetzen vielleicht oder Erstaunen über die Anschuldigungen der Kinder, weil sich alles um eine fürchterliche Verwechselung handelte oder gar eine bizarre Lüge war. In diesem Moment hätte sie jeden Strohhalm dankbar ergriffen.
Aber die Miene ihres Vaters sagte nichts dergleichen. Alles, was sie dort entdecken konnte, war Kälte und eine Art ärgerlicher Ungeduld, die ihr das Blut gefrieren ließ. Der letzte Hoffnungsschimmer in ihr erstarb. Es gab keinen Zweifel, ihr Vater hatte die Menschen umgebracht, von denen die Kinder sprachen. Sie spürte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten, und ihre Sicht verschwamm.
»Was hast du nur getan?«, fragte sie fassungslos.
Seine Augen weiteten sich. »Was unterstehst du dich, mich zu kritisieren?«, schrie er. »Ich trage seit Jahren die Verantwortung für das Leben von Abertausenden von Menschen dort draußen an der Oberfläche. Glaubst du vielleicht, du kannst so einen Moloch nur mit Liebe und Nachsicht regieren?«
»Und glaubst du vielleicht, Mutter würde es gutheißen, wenn du diesen Kindern hier irgendetwas antust, egal, welche Beweggründe du dir einreden magst?«, hielt sie dagegen. »Sie hat immer für Liebe und Nachsicht plädiert, das weißt du genau.«
Cooper merkte, dass sie einen Nerv bei ihm getroffen hatte. Allerdings offenbar nicht einen von der Art, den sie hatte treffen wollen, denn ihr Vater zitterte förmlich vor Wut. Eigenartigerweise fühlte Cooper, wie gerade dieser Umstand sie immer ruhiger werden ließ.
»Die Junkie-Gang, die uns damals überfallen hat, um sich das lausige bisschen Geld zu greifen, das wir zu Hause hatten«, schrie er, »von denen war die Hälfte halbe Kinder wie die da!« Er wies dabei auf Jimmy und seine Begleiter. »Und das nur, weil irgendwelche Gutmenschen solche Typen wie die immer und immer wieder ungestraft haben davonkommen lassen. Gott, wie oft habe ich mir hinterher gewünscht, irgendjemand hätte ihnen schon lange vorher ein großkalibriges Loch in ihre sauberen Visagen gebrannt. Aber ich schwöre dir, solange ich atme, werde ich verhindern, dass so etwas jemals wieder passiert, und wenn ich die da alle einzeln abknallen müsste.«
»Mutter würde dich verachten«, sagte sie leise.
Einen Moment lang stand er mit leerem Blick und offenem Mund da, wie zur Salzsäule erstarrt. Plötzlich aber schien irgendetwas in ihm zu zerreißen. Sein Gesicht wurde rot, dunkelrot. Seine Augen quollen schier aus den Höhlen.
Die Pistolenmündung schwang herum und war auf einmal auf Cooper gerichtet.
»Treib mich nicht zum Äußersten«, sagte er, diesmal bedrohlich leise.
Cooper merkte, dass auch sie zu zittern begonnen hatte. Aber sie würde ihm nicht die Genugtuung geben, ihm ihre Angst zu zeigen.
»Knall mich doch ab, Vater«, schrie sie. »Es ist mir egal. Der Vater, nach dem ich mein Leben lang gesucht habe, existiert nicht mehr. An seiner Stelle habe ich ein Monster gefunden. Ich wünschte, ich hätte dich nie mehr gesehen.«
Sie spürte, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen. Durch den Schleier sah sie, wie er die Waffe vorspannte.
»Und meine Tochter starb vor Jahren bei einem Überfall. Wer du bist, weiß ich nicht«, sagte er.
Fast unbeteiligt registrierte sie, wie sich ihr Körper in Erwartung des Schusses anspannte.
»Nein!«
Cooper hörte den Schrei nur gedämpft wie durch eine Wand. Dann schoss ein Schatten an ihr vorbei und auf ihren Vater zu, und sie erkannte Jimmys schmale Gestalt.
Mit vollem Schwung prallte er gegen ihren Vater. Beide gingen zu Boden und kämpften dort um die Waffe.
Die anderen schrien. Cooper merkte, dass auch sie schrie.
Sie wollte zu den beiden laufen und fürchtete gleichzeitig, dadurch alles noch viel schlimmer zu machen. Dann krachte es laut.
Ihr Herz blieb fast stehen.
»Vater!«, rief sie ängstlich.
Die Rangelei war zum Ende gekommen. Jimmy, der bis dahin oben gelegen hatte, rollte langsam von ihrem Vater
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