Elysion: Roman (German Edition)
ehrlich, aber sie war nicht im Mindesten beruhigt. »Schon mal daran gedacht, dass dich dein Dauerkonsum verändern könnte? Schon mal von Vernon LaGuardia gehört? Einer von McCanns Männern. Blieb in einer Wand stecken, an die er sich gelehnt hatte, und starb, als er wieder feste Gestalt annahm.«
»Ach, das ist doch nur ein Ammenmärchen, das die verbreiten, um das ganze Zeug für sich zu behalten«, fauchte er.
Sie standen sich gegenüber. Für einen Moment hatte Cooper fast das Gefühl, dass Brent sich gleich auf sie stürzen würde. Doch dann fing er unvermittelt an zu lachen.
»Ich stand schon immer auf dein verdammtes Temperament, Coop. Hier, schlag ein.« Er hielt ihr die Hand hin.
Cooper betrachtete sie misstrauisch.
»Ist alles normal. Schau.« Er klatschte in die Hände.
Zögerlich reichte sie ihm die Hand. Er schlug so fest ein, dass ihr die Handfläche brannte.
»So ist es richtig, Coop. Freaks müssen zusammenhalten.« Mit der anderen Hand klopfte er ihr auf die Schulter, dann trat er einen Schritt zurück. »Sorry. Du wolltest hier allein sein, und ich geh dir auf die Nerven und rauch deinen kostbaren Knaster. Entspann dich noch ’n bisschen, Süße. Ich geh wieder zurück in die Stinksauna.«
Süße?
Er salutierte, drehte sich um und verschwand in Richtung Abstieg.
Cooper setzte sich wieder und versuchte die Gedanken, die ihr durch den Kopf schwirrten, einzufangen. Nicht nur, dass Brent versucht hatte, sie anzumachen, seine Sucht nach Teer hatte offensichtlich weit schlimmere Konsequenzen, als sie bisher befürchtet hatte. Doch was ihr am meisten Kopfzerbrechen bereitete, war, dass etwas tief in ihr ihm recht geben wollte. Selbst wenn sie tatsächlich ihren Vater gesehen hatte, was erwartete sie sich eigentlich von ihm? Dass er die letzten zwölf Jahre einfach wegwischte? Würde er sie noch … Sie konnte das Wort nicht mal denken. Es kam ihr auf einmal alles viel zu unwirklich vor. Ein dunklerer Teil von ihr schien sie auszulachen, so wie Brent es getan hatte.
Freakmädchen, klang es in ihren Gedanken nach.
Sie hob die Hände vor die Augen, als würde sie darin die Antwort erkennen können. Im Mondlicht schien ihre Haut zu leuchten.
Unvermittelt fiel ihr Shauna ein, das Mädchen aus dem Keller. Wo sie jetzt wohl war? War es dort schöner als hier? Als sie klein war, hatten die Lehrer in der Schule vom Paradies erzählt und dass die Toten dort hingehen würden. Sie wusste nicht, was das Paradies eigentlich war, aber in ihrer kindlichen Phantasie hatte sie sich eine riesige Wiese im Sonnenschein vorgestellt, so wie die, wo sie einmal mit ihren Eltern einen Nachmittag verbracht hatte, an einem der seltenen Tage, die ihr Vater nicht hinter dem Schreibtisch zugebracht hatte.
Ob es das Paradies wohl überhaupt noch gab? Oder war es mit der alten Welt im Bürgerkrieg untergegangen? So viele Menschen waren gestorben. Gute Menschen, böse Menschen. Alte, Junge, Kinder, Gangster, Soldaten, das halbe Land. Kaum vorstellbar, dass sie nun alle an einem einzigen Ort versammelt waren, egal, ob Wiese oder nicht.
Sie überlegte, welches Paradies sie Shauna wünschen würde, aber ihr fiel immer noch kein besserer Platz ein als der Schoß ihres Vaters an jenem Nachmittag auf der Wiese im Sonnenschein. Es war, als hätte sich diese Wiese schon damals nicht auf dieser Welt befunden. Inzwischen schien es der Ort zu sein, der von dieser Erde am weitesten entfernt war.
Sie wischte sich übers Gesicht. Der Nachtwind hatte ihre Haut ausgekühlt. Sie fühlte sich wie der einsamste Mensch der Welt.
»Cooper, wach auf!«
Sie rieb sich die Augen.
Stacy.
»Was ist los?«
»Es ist Big Mama. Es geht ihr sehr schlecht.«
Der Schreck brachte ihren Kreislauf in Gang. Sie schlug die dünne Decke beiseite und wühlte sich von der Couch, die Gregory ihr zugewiesen hatte. Sie beeilte sich, auf die Beine zu kommen.
Einige Meter weiter lag Big Mama auf ihrem Liegestuhl. Ein paar größere Talglichter warfen flackernde Schatten auf ihr Gesicht. Brent und Gregory standen über ihr. Cooper konnte sehen, wie Big Mamas Hände wild zuckten, als führten sie ein seltsames Eigenleben.
»Was ist mit ihr? Warum zittern ihre Hände so?«
Gregory zuckte mit den Schultern. »Meine Erinnerungen an das Medizinstudium sind etwas verschüttet, aber Stacy hat mir von der Hepatitis erzählt. Tu mir ’nen Gefallen, Cooper, und riech mal ihren Atem.«
Cooper sah ihn mit großen Augen an.
»Ich versuche, meinen Verdacht zu
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