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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Feind
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ver­schlos­sen hat­te, er­griff sie ein
Sport­ge­wehr, das an der Wand hing, und blieb da­mit ste­hen, bis er sich blöd grin­send
da­von­ge­macht hat­te. Auch an­de­re ver­such­ten es, aber kei­ner hat­te Er­folg. Die
Frau war fünf­und­drei­ßig und von ei­ner dunklen, wür­de­vol­len Schön­heit. Sie
ar­bei­te­te hart, aber sie blieb al­lein.
    In
den ers­ten Mo­na­ten ka­men öf­ters Ärz­te auf den Hof. Thie­de­mann ver­steck­te sich
vor ih­nen und muß­te je­des­mal ge­sucht wer­den. Nur wenn sei­ne Frau rief, war er
be­reit zu kom­men. Ein Arzt blieb fast ein gan­zes Jahr auf dem Hof, um ihn zu
be­han­deln. Als er ab­reis­te, muß­te die Frau ei­ni­ge Stück Vieh ver­kau­fen. In die­sem
Jahr wur­de die Ern­te durch Som­mer­re­gen ge­schä­digt, und die Kar­tof­feln hat­ten
auch ge­lit­ten. Es war ein schwie­ri­ges Jahr.
    Aber
Thie­de­manns Zu­stand än­der­te sich nicht. Die Frau nahm das ärzt­li­che Ur­teil
un­ge­rührt hin, als wä­re es ihr völ­lig gleich­gül­tig. Aber nachts, wenn
Thie­de­mann im Schlaf un­ver­ständ­li­che Wor­te mur­mel­te und sich im Bett hin und
her warf, drück­te sie sich ge­gen ihn, als müs­se die Wär­me ih­res Kör­pers ihm
hel­fen – und sie horch­te auf ihn und stell­te Fra­gen und sprach ihn an. Er
ant­wor­te­te nicht, wur­de aber ru­hi­ger und schlief dann bald ein. So ver­gin­gen
die Jah­re.
    Ein­mal kam ein Ka­me­rad
von Thie­de­mann für ein paar Ta­ge zu Be­such. Er hat­te ein paar Fo­tos aus je­nen
Zei­ten mit­ge­bracht, und am letz­ten Abend zeig­te er sie der Frau. Dar­un­ter war
ein Grup­pen­bild von Thie­de­manns Zug. Dar­auf hock­ten die Män­ner mit nack­tem
Ober­kör­per vor ei­nem Un­ter­stand und grins­ten, wäh­rend sie ih­re Hem­den nach
Läu­sen ab­such­ten. Thie­de­mann war der zwei­te von rechts und lä­chel­te, er hielt
ei­ne Hand hoch, Dau­men und Zei­ge­fin­ger fest zu­sam­men­ge­preßt. Die Frau sah sich
die Bil­der ei­nes nach dem an­de­ren an. Wäh­rend sie so dar­in ver­tieft war, kam
Thie­de­mann ins Zim­mer. Mit schwe­rem Schritt ging er zum Ofen hin­über und setz­te
sich auf einen Stuhl. Die Frau nahm das Grup­pen­bild und hielt es ei­ne gan­ze
Zeit in der Hand. Ih­re Au­gen schweif­ten von dem ver­blaß­ten Schnapp­schuß zu der
apa­thi­schen Ge­stalt am Ofen. »Da war es al­so?« frag­te sie. Der Freund nick­te.
Die Frau schwieg ei­ne Wei­le. Nur Thie­de­manns schwe­res At­men war in der Stil­le
zu hö­ren. Ei­ne Mot­te flog zum Fens­ter her­ein und flat­ter­te um die Lam­pe. Der
zit­tern­de Schat­ten ih­rer Flü­gel fla­cker­te über den Tisch und auf die Fo­tos und
ver­lieh ih­nen ei­ne Il­lu­si­on von Be­we­gung und Le­ben. Die Frau zeig­te auf die
Bil­der von den Grä­ben und zer­stör­ten Dör­fern. »Ist das noch im­mer so?«
    »Si­cher
doch«, sag­te der Ka­me­rad. Mit ei­ner schnel­len Be­we­gung bot sie ihm einen
Blei­stift und strich ei­ne Zu­cker­tü­te glatt, die in Reich­wei­te auf der
Fens­ter­bank lag. »Schrei­ben Sie den Na­men des Or­tes auf. Und den Weg.« Der
Freund hob den Kopf. »Wol­len Sie hin­fah­ren?«
    Die
Frau
be­trach­te­te das Bild, auf dem Thie­de­mann, noch lä­chelnd und ge­sund, vor dem
Un­ter­stand saß. Dann schau­te sie ru­hig auf. »Ja«, ant­wor­te­te sie.
    »Wir
wür­den al­le gern ein­mal wie­der hin­fah­ren«, sag­te der Freund be­däch­tig, wäh­rend
er lang­sam die Buch­sta­ben schrieb. »Sie müs­sen über Metz fah­ren.«
    Es
dau­er­te lan­ge, bis al­les vor­be­rei­tet war. Die Leu­te ver­stan­den nicht, warum sie
fah­ren woll­te, und ver­such­ten, es ihr aus­zu­re­den. Aber sie be­ach­te­te kei­nen
Ein­wand. Sie saß ru­hig da und pack­te ent­schlos­sen zu­sam­men, was für die Rei­se
not­wen­dig war. Als die Leu­te sie aus­frag­ten, ant­wor­te­te sie knapp. Sie sag­te
ein­fach: »Es muß sein.«
    Die
Rei­se war schwie­rig. Von der Fahrt be­kam Thie­de­mann Kopf­schmer­zen, und die Frau
hat­te nie­man­den bei sich, der ihr ge­hol­fen hät­te. Auch ver­stand sie die Spra­che
nicht. Aber sie stand bloß da und schau­te die Leu­te an, bis sie ver­stan­den, was
sie mein­te.
    Am
Nach­mit­tag des drit­ten Ta­ges ka­men sie in dem Ort an, wo Thie­de­manns

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