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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
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Blu­se aus dem Tor­ein­gang
kom­men. Sie war nicht zum Luft­schutz­kel­ler ge­lau­fen. Be­hut­sam trug sie ei­ne
Blech­scha­le mit Was­ser und ein Hand­tuch. Oh­ne sich um et­was zu küm­mern, brach­te
sie das Was­ser an der SS vor­bei und stell­te es ne­ben den Ver­letz­ten. Die
SS-Leu­te blick­ten sich un­schlüs­sig an, sag­ten aber nichts. Sie wusch das
Ge­sicht frei.
    Der Ver­letz­te brach blu­ti­gen Schaum. Die Frau wisch­te ihn weg. Ei­ner der
SS-Leu­te be­gann zu la­chen. Er hat­te ein un­aus­ge­reif­tes, zu­sam­men­ge­wor­fe­nes
Ge­sicht, mit so hel­len Wim­pern, daß die blas­sen Au­gen nackt er­schie­nen.
    Das Flak­feu­er hör­te auf. In der Stil­le dröhn­te wie­der das Kla­vier. Wer­ner sah
jetzt, wo­her es kam; aus ei­nem Fens­ter im ers­ten Ge­schoß des
Ko­lo­ni­al­wa­ren­la­dens. Ein blas­ser Mann mit ei­ner Bril­le spiel­te dort an ei­nem
auf­rech­ten brau­nen Kla­vier im­mer noch den Chor der Ge­fan­ge­nen. Die SS grins­te.
Ei­ner tipp­te sich auf die Stirn. Wer­ner wuß­te nicht, ob der Mann ge­spielt
hat­te, um für sich über das Bom­bar­de­ment hin­weg­zu­kom­men, oder ob er et­was
an­de­res ge­wollt hat­te. Er ent­schloß sich, zu glau­ben, daß es ei­ne Bot­schaft
ge­we­sen sei.
    Er glaub­te im­mer das Bes­se­re, wenn es oh­ne Ri­si­ko war. Es mach­te das Da­sein
ein­fa­cher.
    Leu­te ka­men her­an­ge­lau­fen. Die SS wur­de mi­li­tä­risch.
    Kom­man­dos er­schol­len.
    Die Häft­lin­ge for­mier­ten sich. Der Zug­füh­rer be­fahl ei­nem SS-Mann, bei den
To­ten und Ver­letz­ten zu blei­ben; dann kam der Be­fehl, im Lauf­schritt die Stra­ße
ent­lang­zu­ren­nen.
    Die letz­te Bom­be hat­te einen Luft­schutz­kel­ler ge­trof­fen. Die Ge­fan­ge­nen soll­ten
ihn aus­gra­ben.
    Der Kra­ter stank nach Säu­ren und Schwe­fel. Ein paar Bäu­me stan­den mit of­fe­nen
Wur­zeln schräg am Ran­de. Das Git­ter der Ra­sen­an­la­gen starr­te los­ge­ris­sen in den
Him­mel. Die Bom­be hat­te den Kel­ler nicht di­rekt ge­trof­fen; sie hat­te ihn
seit­lich ein­ge­drückt und ver­schüt­tet.
    Die Häft­lin­ge ar­bei­te­ten über zwei Stun­den an dem Ein­gang.
    Stu­fe auf Stu­fe leg­ten sie die Trep­pe frei. Sie war schief­ge­drückt wor­den. Al­le
ar­bei­te­ten, so rasch sie konn­ten; sie ar­bei­te­ten, als sei­en es ih­re ei­ge­nen
Ka­me­ra­den, die ver­schüt­tet wa­ren.
    Nach ei­ner wei­te­ren Stun­de hat­ten sie den Ein­gang frei. Sie hör­ten Schreie und
Wim­mern lan­ge vor­her. Der Kel­ler muß­te ir­gend­wo­her noch Luft be­kom­men. Das
Schrei­en schwoll an, als sie die ers­te Öff­nung mach­ten. Ein Kopf schob sich
hin­durch und schrie, und zwei Hän­de er­schie­nen di­rekt un­ter dem Kopf und
kratz­ten im Schutt, als woll­te ein rie­si­ger Maul­wurf sich durch­ar­bei­ten.
    »Vor­sicht!« schrie ein Vor­ar­bei­ter. »Es kann noch ein­stür­zen.«
    Die Hän­de ar­bei­te­ten wei­ter. Dann wur­de der Kopf von hin­ten zu­rück­ge­ris­sen, und
ein an­de­rer er­schi­en schrei­end. Auch er wur­de weg­ge­ris­sen. Die Leu­te kämpf­ten
drin­nen in ei­ner Pa­nik um den Platz am Licht.
    »Stoßt sie zu­rück! Sie wer­den ver­letzt! Das Loch muß grö­ßer ge­macht wer­den.
Stoßt sie zu­rück!«
    Sie stie­ßen in die Ge­sich­ter. Die Ge­sich­ter bis­sen nach ih­ren Fin­gern. Sie
ris­sen mit den Pi­cken den Ze­ment los. Sie ar­bei­te­ten, als ob es um ihr ei­ge­nes
Le­ben gin­ge.
    Dann war die Öff­nung groß ge­nug, daß der ers­te hin­durch­krie­chen konn­te. Es war
ein kräf­ti­ger Mann. Le­wins­ky er­kann­te ihn so­fort. Es war der Mann mit dem
Schnurr­bart, der im Ko­lo­ni­al­wa­ren­ge­schäft ge­stan­den hat­te. Er hat­te sich an die
ers­te Stel­le ge­ar­bei­tet und schob und ächz­te, um durch­zu­kom­men. Sein Bauch
blieb ste­cken. Die Schreie drin­nen wur­den stär­ker; er ver­dun­kel­te den Kel­ler.
Man zerr­te an sei­nen Bei­nen, um ihn zu­rück­zu­rei­ßen. »Hil­fe!« stöhn­te er mit
ei­ner ho­hen, pfei­fen­den Stim­me. »Hil­fe! Helft mir 'raus! 'raus hier! 'raus! Ich
will euch – ich ge­be euch ...«
    Sei­ne klei­nen schwar­zen Au­gen quol­len aus dem run­den Ge­sicht. Der
Hit­ler­schnurr­bart zit­ter­te.

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