E.M. Remarque
meinen Rock anziehen?« fragte Neubauer. »Er hängt im Schuppen. Hinter
dem Kaninchenstall.«
Der Korporal zögerte einen Augenblick. Dann ging er und kam mit einer
Ziviljacke wieder.
»Nicht die, bitte«, erklärte Neubauer. »Ich bin Soldat. Meine Uniformjacke,
bitte.«
»Sie sind kein Soldat.«
Neubauer blinkte. »Es ist meine Parteiuniform.«
Der Korporal ging zurück und brachte die Uniformjacke. Er tastete sie ab und
gab sie Neubauer. Der zog sie an, knöpfte sie zu, reckte sich und sagte:
»Obersturmbannführer Neubauer. Stelle mich zur Verfügung.«
»Gut, gut. Vorwärts.«
Sie gingen durch den Garten. Neubauer merkte, daß er die Jacke falsch
zugeknöpft hatte. Er öffnete sie noch einmal und brachte die Knöpfe in Ordnung.
Alles war schiefgegangen im letzten Augenblick. Weber, der Verräter, hatte ihm
mit seiner Brandstiftung eins auswischen wollen. Er hatte eigenmächtig
gehandelt, das ließ sich leicht beweisen. Neubauer war abends nicht mehr im
Lager gewesen. Er hatte es über das Telefon erfahren. Immerhin, eine verflucht
bittere Geschichte, gerade jetzt. Und dann Alfred, der zweite Verräter. Er war
einfach nicht gekommen. Neubauer hatte ohne Auto dagestanden, als er im Auto
fliehen wollte. Die Truppen waren schon fort – in die Wälder konnte er nicht
laufen –, da hatte er sich im Garten versteckt. Hatte gedacht, da würden sie
ihn nie suchen. Er hatte sich noch rasch die Hitler-Schnurrbartbürste
abrasiert. Alfred, der Lump!
»Setzen Sie sich hierher«, sagte der Korporal und zeigte auf einen Sitz.
Neubauer kletterte in den Wagen. Das ist wahrscheinlich das, was sie ein Jeep
nennen, dachte er. Die Leute waren nicht unfreundlich. Korrekt, eher. Der eine
war vielleicht ein Deutschamerikaner. Man hatte da von deutschen Brüdern im
Auslande gehört. Der Bund, oder so ähnlich.
»Sie sprechen gut Deutsch«, sagte er vorsichtig.
»Natürlich«, erwiderte der Korporal kalt. »Ich bin aus Frankfurt.«
»Oh ...« , erwiderte Neubauer. Es schien wirklich ein verdammt schlechter Tag zu
sein. Die Kaninchen waren auch gestohlen worden. Als er in den Stall gekommen
war, hatten die Käfigtüren offengestanden. Es war ein böses Zeichen gewesen.
Sie brutzelten wahrscheinlich jetzt schon über dem Feuer irgendeines Rohlings.
Das Lagertor stand weit offen. Roh zurechtgemachte Flaggen hingen vor den
Baracken.
Der große Lautsprecher brachte Bekanntmachungen. Einer der Lastwagen mit Kannen
voll Milch war zurückgekehrt.
Der Wagen mit Neubauer hielt vor der Kommandantur. Ein amerikanischer Oberst
stand dort mit einigen Offizieren und erteilte Weisungen. Neubauer stieg aus,
zupfte seinen Rock zurecht und trat vor. »Obersturmbannführer Neubauer. Stelle
mich hiermit zur Verfügung.« Er grüßte militärisch; nicht mit dem Hitlergruß.
Der Oberst sah auf den Korporal. Der Korporal übersetzte. »Is this the son of a
bitch?« fragte der Oberst.
»Yes, Sir.«
»Put him to work over there. Shoot him, if he makes a false
move.«
Neubauer hatte angestrengt zugehört. »Los«, sagte der Korporal.
»Arbeiten. Tote fortbringen.«
Neubauer hatte immer noch auf etwas anderes gehofft. »Ich bin Offizier«,
stammelte er. »Im Rang eines Obersten.«
»Um so schlimmer.«
»Ich habe Zeugen! Ich war menschlich! Fragen Sie die Leute!«
»Ich glaube, wir werden ein paar Mann brauchen, damit Ihre Leute Sie nicht in
Stücke reißen«, erwiderte der Korporal. »Mir wäre es recht. Los, vorwärts!«
Neubauer warf noch einen Blick auf den Obersten. Der beachtete ihn schon nicht
mehr. Er wandte sich um. Zwei Mann gingen neben ihm; der dritte hinter ihm.
Nach ein paar Schritten war er erkannt. Die drei Amerikaner rückten ihre
Schultern zurecht. Sie
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