E.M. Remarque
that later.«
Rosen zitterte. Niemann hatte nicht viel abbekommen; nur eine Hautabschürfung
im Gesicht. Berger nahm Rosen am Arm.
»Komm. Du bist zu schwach dafür.«
Rosen brach in Tränen aus. Sulzbacher nahm seinen anderen Arm. »Sie werden ihn
verurteilen, Rosen. Für alles.«
»Totschlagen! Totgeschlagen müssen sie werden! Sonst hilft alles nichts! Sonst
kommen sie immer wieder!«
Sie zogen ihn fort. Der Amerikaner gab Bucher die Schaufel zurück. Sie gingen
weiter. »Komisch«, sagte Lebenthal nach einer Weile. »Und du warst immer der,
der keine Rache wollte ...
»Laß ihn, Leo.«
»Ich lasse ihn ja.«
Jeden Tag verließen Gefangene das Lager. Die ausländischen Sklavenarbeiter, die
gesund waren und gehen konnten, wurden in Gruppen abtransportiert. Ein Teil der
Polen blieb zurück. Sie wollten nicht in die russische Zone. Fast alle vom
Kleinen Lager waren zu schwach; sie mußten noch eine Zeitlang verpflegt werden.
Und viele wußten nicht, wohin sie sollten. Ihre Angehörigen waren zerstreut und
getötet; ihr Besitztum gestohlen; ihre Heimatgegend verwüstet. Sie waren frei;
aber sie konnten nichts damit anfangen. Sie blieben im Lager. Sie hatten kein
Geld. Sie halfen die Baracken reinigen. Sie bekamen Betten und Essen; sie
warteten; sie formten sich zu Gruppen.
Sie waren die, die wußten, daß nichts sie irgendwo mehr erwartete. Dann gab es
andere, die es noch nicht glaubten. Sie gingen auf die Suche. Täglich sah man
sie den Berg hinunterwandern, einen Ausweis der Zivilverwaltung und der
Militärbehörde des Lagers in den Händen, um Eßkarten darauf zu bekommen und ein
paar Ungewisse Daten im Herzen.
Es war vieles anders gekommen. Die Aussicht auf Befreiung war etwas so
Ungeheures gewesen, daß die meisten nicht darüber hinausgedacht hatten. Jetzt
war sie plötzlich da, und dahinter war auf einmal nicht ein Garten Eden mit
Wundern, Wiederfinden, Wiedervereinigung und einem zauberhaften Zurückrücken
der Jahre in eine Zeit, die ohne Elend war – sie war da, und hinter ihr dehnte
sich der Schutt der Einsamkeit, der traurigen Erinnerungen, der Verlorenheit,
und vor ihr war eine Wüste und etwas Hoffnung. Sie zogen den Berg hinunter, und
die Namen von ein paar Orten, ein paar Menschen, von einigen anderen Lagern,
und ein blasses Vielleicht waren alles, auf das sie hofften. Sie hofften,
vielleicht einen oder zwei wiederzufinden – alle, das wagte fast keiner.
»Es ist besser, wegzugehen, sobald man kann«, sagte Sulzbacher. »Es wird sich
nichts ändern, und je länger man bleibt, um so schwieriger wird es. Ehe wir uns
versehen, sitzen wir in einem neuen Lager – für Leute, die nicht wissen, wohin
sie sollen.«
»Glaubst du, daß du es aushalten kannst?«
»Ich habe zehn Pfund zugenommen.«
»Das ist nicht genug.«
»Ich werde mich nicht anstrengen.«
»Wohin willst du?« fragte Lebenthal.
»Nach Düsseldorf. Meine Frau suchen ...«
»Wie willst du nach Düsseldorf kommen? Gibt es dahin Züge?«
Sulzbacher hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Aber es sind noch zwei hier,
die wollen in dieselbe Gegend. Nach Solingen und Duisburg. Wir können
zusammenbleiben.«
»Sind es alte Bekannte von dir?«
»Nein. Aber es ist doch schon allerhand, wenn man nicht allein ist.«
»Ja, das ist richtig.«
»Das meine ich auch.«
Er schüttelte den anderen die Hände. »Hast du zu essen?« fragte Lebenthal.
»Für zwei Tage. Wir können uns unterwegs bei den amerikanischen Behörden
melden. Irgendwie wird es schon klappen.«
Er wanderte mit den beiden, die nach Solingen und Duisburg wollten, den Berg
hinab. Einmal winkte er noch; dann nicht mehr.
»Er hat recht«, sagte Lebenthal. »Ich gehe auch. Heute Abend bleibe ich schon
in der Stadt. Ich muß mit jemand
Weitere Kostenlose Bücher