E.M. Remarque
Insassen an ihnen vorübertrug und diese ihnen mit Nicken und
Worten bestätigten, daß es heißes Wasser und Baden sei und kein Gas, beruhigten
sie sich.
Der Dampf wirbelte von den gekachelten Wänden. Das warme Wasser war wie warme
Hände. Die Gefangenen lagen darin, und die dünnen Arme mit den dicken Gelenken
hoben sich und patschten darin herum. Der verkrustete Dreck weichte auf.
Die Seife glitt über die verhungerte Haut und löste den Schmutz, und die Wärme
drang tiefer als bis in die Knochen.
Warmes Wasser – sie hatten vergessen, was das hieß. Sie lagen und fühlten es,
und es war für viele zum ersten Male der Begriff von Freiheit und Erlösung.
Bucher saß neben Lebenthal und Berger. Die Wärme durchflutete sie. Es war ein
animalisches Glück. Das Glück der Wiedergeburt, es war das Leben, das aus Wärme
geboren war und dem erfrorenen Blut und den verschmachteten Zellen
zurückgegeben wurde. Es war pflanzenhaft; eine Wassersonne, die totgeglaubte
Keime streichelte und weckte. Mit den Schmutzkrusten der Haut lösten sich
Schmutzkrusten der Seele. Sie fühlten Geborgenheit.
Geborgenheit im einfachsten: in Wärme. Wie Höhlenmenschen vor dem ersten Feuer.
Man gab ihnen Handtücher. Sie rieben sich trocken und betrachteten mit Staunen
ihre Haut. Sie war noch immer fahl und fleckig vom Hunger, aber ihnen erschien
sie blütenweiß.
Man gab ihnen saubere Sachen aus dem Depot. Sie fühlten sie an und betrachteten
sie, bevor sie sie anzogen. Dann führte man sie in einen anderen Raum. Das
Baden hatte sie belebt und gleichzeitig sehr müde gemacht. Sie gingen schläfrig
und bereit, an weitere Wunder zu glauben.
Der Raum mit den Betten überraschte sie kaum. Sie sahen auf die Reihen und
wollten weitergehen. »Hier«, sagte der Amerikaner, der sie führte.
Sie starrten ihn an. »Für uns?«
»Ja. Zum Schlafen.«
»Für wie viele?«
Lebenthal zeigte auf das nächste Bett, dann auf sich und Bucher und fragte:
»Zwei?« Dann zeigte er auf Berger und hob drei Finger. »Oder drei?«
Der Amerikaner grinste. Er nahm Lebenthal und schob ihn mit sanfter Gewalt auf
das erste Bett; dann Bucher auf das zweite; Berger auf das nächste und
Sulzbacher daneben. »So«, sagte er. »Jeder ein Bett!«
»Mit einer Decke!«
»Ich gebe auf«, erklärte Lebenthal. »Kissen gibt es auch.«
Sie hatten einen Sarg bekommen. Es war eine leichte, schwarze Kiste von
normaler Größe; aber sie war zu breit für 509. Man hätte leicht noch jemand
dazulegen können.
Es war das erstemal in langer Zeit, daß er so viel Platz für sich allein hatte.
Man hatte ihm da, wo die Baracke 22 gestanden hatte, ein Grab geschaufelt. Sie
fanden, das sei der richtige Platz für ihn.
Es war Abend, als sie ihn hinbrachten. Die Mondsichel hing am dunstigen Himmel.
Leute aus dem Arbeitslager halfen ihnen, den Sarg hinabzulassen.
Sie hatten eine kleine Schaufel. Jeder trat heran und warf etwas Erde hinunter.
Ahasver trat zu nahe heran und rutschte hinab. Sie holten ihn wieder herauf.
Andere Häftlinge halfen ihnen, das Grab zuzuschaufeln.
Sie gingen zurück. Rosen trug die Schaufel, um sie wieder abzugeben. Sie kamen
an Baracke 20 vorbei. Ein Toter wurde dort herausgebracht. Zwei SS-Leute trugen
ihn durch die Tür.
Rosen blieb vor ihnen stehen. Sie wollten um ihn herumgehen. Der Vordere war Niemann, der Abspritzer. Die Amerikaner hatten ihn hinter der
Stadt gefangen und zurückgebracht. Er war der Scharführer, vor dem 509 Rosen
gerettet hatte. Rosen trat etwas zurück, hob die Schaufel und schlug sie
Niemann ins Gesicht. Er hob sie noch einmal, aber der wachhabende amerikanische
Soldat war herangekommen und nahm ihm die Schaufel sanft aus den bebenden
Händen. »Come, come – we'll take care of
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