E.M. Remarque
dort Tulpen setzen
wollen.
Tulpen und etwas Petersilie, Majoran, Basilikum andere Küchenkräuter. Er liebte
Kräuter am Salat und für Soßen. Das war vor ein paar Tagen gewesen. Es war eine
Ewigkeit her.
Verbrannte Zigarren konnte er jetzt da pflanzen.
Zerschmolzenes Blei aus der Zeitung.
Die Gefangenen beugten sich über ihre Spaten, als sie Neubauer kommen sahen.
»Was habt ihr zu glotzen?« fragte er.
Die Wut brach plötzlich durch. Der Ältere von ihnen antwortete etwas auf russisch.
»Glotzen, habe ich gesagt! Du glotzt jetzt noch, Bolschewistenschwein! Frech
sogar! Freust dich wohl, daß das Privateigentum von ehrlichen Bürgern zerstört
wird, was?«
Der Russe erwiderte nichts. »Vorwärts, an die Arbeit, ihr faulen Hunde!«
Die Russen verstanden ihn nicht. Sie starrten ihn an und versuchten
herauszufinden, was er meinte. Neubauer holte aus und gab einem von ihnen einen
Tritt in den Bauch. Der Mann fiel um und stand langsam wieder auf. Er richtete
sich an seinem Spaten auf und hielt den Spaten dann in der Hand. Neubauer sah
seine Augen und die Hände, die die Schaufel umfaßt hatten. Er spürte Angst, wie
einen Messerstich in den Magen, und griff nach seinem Revolver. »Lump!
Widerstand leisten, was?«
Er schlug ihm den Revolvergriff zwischen die Augen. Der Russe fiel um und stand
nicht mehr auf. Neubauer atmete heftig.
»Erschießen hätte ich dich können«, schnaufte er. »Widerstand leisten! Wollte
den Spaten heben, um zu schlagen! Erschießen! Zu anständig ist man, das ist es.
Ein anderer hätte ihn erschossen!« Er sah den Wachsoldaten an, der seitab
stramm stand. »Erschossen hätte ihn ein anderer. Sie haben gesehen, wie er den
Spaten heben wollte.«
»Jawohl, Herr Obersturmbannführer.«
»Na, schön. Los, gießen Sie ihm eine Kanne Wasser über den Schädel.«
Neubauer blickte auf den zweiten Russen. Der Mann grub, tief über den Spaten
gebückt.
Sein Gesicht war leer. Vom Nachbargrundstück her bellte ein Hund wie rasend.
Wäsche flatterte dort im Winde. Neubauer fühlte, daß sein Mund trocken war. Er
verließ den Garten. Seine Hände zitterten.
Was ist los? dachte er. Angst? Ich habe keine Angst. Ich nicht!
Nicht vor einem dämlichen Russen. Wovor dann? Was ist los mit mir? Gar nichts
ist los! Ich bin nur zu anständig, weiter nichts. Weber hätte den Kerl langsam
totgeschlagen. Dietz hätte ihn auf der Stelle erschossen. Ich nicht. Ich bin zu
sentimental, das ist mein Fehler. Das ist mein Fehler mit allem. Mit Selma
auch.
Der Wagen stand draußen. Neubauer straffte sich. »Zum neuen Parteihaus, Alfred.
Sind die Straßen dahin frei?«
»Nur, wenn wir um die Stadt herumfahren.«
»Gut. Fahr um die Stadt herum.«
Der Wagen wendete. Neubauer sah das Gesicht des Chauffeurs. »Irgendwas
passiert, Alfred?«
»Meine Mutter ist mit umgekommen.«
Neubauer rückte unbehaglich hin und her. Auch das noch!
Hundertdreißigtausend Mark, Selmas Geschrei, und jetzt mußte er auch noch Trost
spenden. »Mein Beileid, Alfred«, sagte er knapp und militärisch, um es hinter
sich zu bringen. »Schweine! Mörder von Frauen und Kindern.«
»Wir haben sie auch gebombt.« Alfred sah auf die Straße vor sich. »Zuerst. Ich
war dabei. In Warschau, Rotterdam und Coventry. Bevor ich den Schuß erhielt und
entlassen wurde.«
Neubauer starrte ihn überrascht an. Was war nur los, heute? Erst Selma und
jetzt der Chauffeur! Ging denn alles aus den Fugen?
»Das war etwas anderes, Alfred«, sagte er. »Etwas ganz anderes. Das waren
strategische Notwendigkeiten. Dieses hier ist reiner Mord.«
Alfred erwiderte nichts. Er dachte an seine Mutter, an Warschau, an Rotterdam
und Coventry und den fetten deutschen Luftmarschall und riß den Wagen um die
Ecke.
»Man darf nicht so denken, Alfred. Das ist schon fast
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