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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
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Ener­gisch!
    Hun­dert­drei­ßig­tau­send Mark ver­lo­ren! Und die­ses schrei­en­de Weib! Scharf
zu­pa­cken! Ja! Ret­ten! Was? Was ret­ten? Wo­hin?
    Er setz­te sich auf einen Ses­sel. Er wuß­te nicht, daß es ein ex­qui­si­ter
Go­be­lin­fau­teuil des 18. Jahr­hun­derts aus dem Hau­se der Kom­tes­se Lam­bert war –
für ihn war es nur ein Ses­sel, der reich aus­sah. Des­halb hat­te er ihn vor
ei­ni­gen Jah­ren mit ein paar an­de­ren Stücken von ei­nem Ma­jor, der aus Pa­ris kam,
ge­kauft.
    »Bring mir ei­ne Fla­sche Bier, Fre­ya.«
    »Bring ihm ei­ne Fla­sche Cham­pa­gner, Fre­ya! Er kann ihn trin­ken, be­vor er In die
Luft fliegt. Popp! Popp! Popp! Laßt die Pfrop­fen knal­len! Die Sie­ge müs­sen
be­gos­sen wer­den!«
    »Laß das, Sel­ma ...«
    Sei­ne Toch­ter ging zur Kü­che. Die Frau rich­te­te sich auf.
    »Al­so – ja oder nein? Kom­men wir heu­te Abend zu dir 'rauf oder nicht?«
    Neu­bau­er sah auf sei­ne Stie­fel. Sie wa­ren voll Asche. Für hun­dert­drei­ßig­tau­send
Mark Asche. »Es wür­de Ge­re­de ge­ben, wenn wir das jetzt plötz­lich ma­chen wür­den.
Nicht, daß es nicht er­laubt ist – aber wir ha­ben es bis­her nicht ge­tan. Man wür­de
sa­gen, ich woll­te Vor­tei­le aus­nut­zen ge­gen die an­de­ren, die hier un­ten blei­ben
müs­sen. Und oben ist es im Au­gen­blick ge­fähr­li­cher als hier. Das La­ger wird als
nächs­tes bom­bar­diert wer­den. Wir ha­ben doch kriegs­wich­ti­ge Be­trie­be.« Ei­ni­ges
da­von stimm­te; aber der ei­gent­li­che Grund für sei­ne Wei­ge­rung war, daß Neu­bau­er
al­lein blei­ben woll­te. Dort oben hat­te er sein Pri­vat­le­ben, wie er es nann­te.
    Zei­tun­gen, Ko­gnak, und ab und zu ei­ne Frau, die drei­ßig Ki­lo we­ni­ger wog als
Sel­ma – je­mand, der zu­hör­te, wenn er re­de­te, und der ihn be­wun­der­te als Den­ker,
Mann und zart­füh­len­den Ka­va­lier. Ein un­schul­di­ges Ver­gnü­gen, das nö­tig war als
Ent­span­nung nach dem Kampf ums Da­sein.
    »Laß sie sa­gen, was sie wol­len!« er­klär­te Sel­ma. »Du hast dich um dei­ne Fa­mi­lie
zu küm­mern!«
    »Wir kön­nen spä­ter wei­ter dar­über spre­chen. Ich muß jetzt zum Par­tei­bü­ro. Muß
se­hen, was dort be­stimmt wird. Viel­leicht sind schon Vor­be­rei­tun­gen ge­trof­fen,
die Leu­te in den Dör­fern un­ter­zu­brin­gen. Si­cher­lich al­le die, die ih­re
Woh­nun­gen ver­lo­ren ha­ben. Aber viel­leicht könnt auch ihr ...«
    »Kein viel­leicht! Wenn ich in der Stadt blei­be, wer­de ich her­um­ren­nen und
schrei­en, schrei­en ...«
    Fre­ya brach­te das Bier. Es war nicht kalt. Neu­bau­er schmeck­te es, be­herrsch­te
sich und stand auf.
    »Ja oder nein?« frag­te Sel­ma.
    »Ich kom­me zu­rück. Dann wer­den wir dar­über re­den. Erst muß ich die Be­stim­mun­gen
ken­nen.«
    »Ja oder nein?«
    Neu­bau­er sah Fre­ya hin­ter ih­rer Mut­ter ni­cken und ihm ein Zei­chen ma­chen,
vor­läu­fig bei­zu­stim­men.
    »Schön – ja«, sag­te er ver­drieß­lich.
    Sel­ma Neu­bau­er öff­ne­te den Mund. Die Span­nung wich aus ihr wie Gas aus ei­nem
Bal­lon. Sie ließ sich vorn­über auf das So­fa fal­len, das zu dem Fau­teuil aus dem
18. Jahr­hun­dert ge­hör­te. Sie war auf ein­mal nur noch ein Hau­fen wei­ches
Fleisch, ge­schüt­telt von Schluch­zen: »Ich will nicht ster­ben – ich will nicht –
mit all un­se­ren schö­nen Sa­chen – nicht jetzt ...«
    Über ih­rem zer­wühl­ten Haar blick­ten die Schä­fer und Schä­fe­rin­nen des
Go­be­lin­be­zu­ges mit dem iro­ni­schen Lä­cheln des 18. Jahr­hun­derts hei­ter und
gleich­gül­tig ins Nichts.
    Neu­bau­er be­trach­te­te sie an­ge­wi­dert. Sie hat­te es leicht; sie schrie und heul­te
– aber wer frag­te da­nach, was in ihm vor­ging?
    Er muß­te al­les 'run­ter­schlu­cken Zu­ver­sicht­lich sein; ein Fels im Meer.
Hun­dert­drei­ßig­tau­send Mark. Nicht ein mal ge­fragt hat­te sie da­nach.
    »Paß gut auf sie auf«, sag­te er kurz zu Fre­ya und ging.
    Im Gar­ten hin­ter dem Hau­se stan­den die bei­den rus­si­schen Ge­fan­ge­nen. Sie
ar­bei­te­ten noch, ob­schon es dun­kel war.
    Neu­bau­er hat­te das vor ein paar Ta­gen an­ge­ord­net.
    Er hat­te ein Stück rasch um­ge­gra­ben ha­ben wol­len. Er hat­te

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