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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
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– laut­los kam es plötz­lich über
ihn, et­was, das im­mer schon ir­gend­wo ge­lau­ert hat­te, in den Ecken, ver­scheucht,
weg­ge­trie­ben, nicht durch­ge­las­sen, so­lan­ge sein ei­ge­ner Be­sitz un­an­ge­tas­tet war
– der Zwei­fel, die Angst, die bis­her durch ei­ne stär­ke­re Ge­gen­angst in Schach
ge­hal­ten wor­den wa­ren – plötz­lich bra­chen sie aus ih­ren Kä­fi­gen und starr­ten
ihn an, sie sa­ßen in den Trüm­mern des Zi­gar­ren­la­dens, sie rit­ten auf den Rui­nen
des Zei­tungs­ge­bäu­des, sie grins­ten ihn an, und ih­re Klau­en droh­ten in die
Zu­kunft. Neu­bau­ers di­cker ro­ter Nacken wur­de naß, un­si­cher trat er zu­rück und
sah einen Au­gen­blick nichts mehr und wuß­te es und woll­te es sich trotz­dem nicht
ein­ge­ste­hen: daß der Krieg nicht mehr ge­won­nen wer­den konn­te.
    »Nein«, sag­te er laut. »Nein, nein – es muß noch – der Füh­rer – ein Wun­der –
trotz al­lem – na­tür­lich ...«
    Er sah sich um. Da war nie­mand. Nicht ein­mal je­mand zum Lö­schen.
    Sel­ma Neu­bau­er schwieg end­lich. Ihr Ge­sicht war ver­schwol­len, der
sei­de­ne fran­zö­si­sche Mor­gen­rock war voll von Trä­nen­spu­ren, und die di­cken Hän­de
beb­ten.
    »Sie kom­men die­se Nacht nicht wie­der«, sag­te Neu­bau­er oh­ne Über­zeu­gung. »Die
gan­ze Stadt brennt ja. Was sol­len sie da noch bom­bar­die­ren?«
    »Dein Haus, dein Ge­schäfts­ge­bäu­de. Dei­nen Gar­ten. Die ste­hen doch noch, wie?«
    Neu­bau­er be­zwang sei­nen Är­ger und die jä­he Angst, daß es so sein könn­te.
»Blöd­sinn! Des­halb kom­men sie nicht ex­tra.«
    »An­de­re Häu­ser. An­de­re Lä­den. An­de­re Fa­bri­ken. Es ste­hen noch ge­nug.«
    »Sel­ma ...«
    Sie un­ter­brach ihn. »Du kannst sa­gen, was du willst! Ich kom­me 'rauf!« Ihr
Ge­sicht rö­te­te sich wie­der. »Ich kom­me 'rauf zu dir ins La­ger, und wenn ich bei
den Ge­fan­ge­nen schla­fen muß! Ich blei­be nicht hier in der Stadt! In die­ser
Rat­ten­fal­le! Ich will nicht um­kom­men! Dir ist das na­tür­lich egal, wenn du nur
si­cher bist. Weit weg vom Schuß! Wie im­mer! Wir kön­nen es ja aus­fres­sen! So
warst du im­mer!«
    Neu­bau­er blick­te sie be­lei­digt an. »Ich war nie so. Und du weißt es! Sieh dir
dei­ne Klei­der an! Dei­ne Schu­he! Dei­ne Mor­gen­rö­cke! Al­les aus Pa­ris! Wer hat sie
dir be­sorgt? Ich! Dei­ne Spit­zen! Das Feins­te aus Bel­gi­en. Ich ha­be sie
ein­ge­han­delt für dich. Dei­nen Pelz­man­tel! Die Pelz­de­cke! Ich ha­be sie dir aus
War­schau kom­men las­sen. Sieh dir dei­nen Vor­rats­kel­ler an. Dein Haus! Ich ha­be
gut für dich ge­sorgt!«
    »Du hast ei­ne Sa­che ver­ges­sen. Einen Sarg. Du kannst ihn jetzt noch rasch
be­sor­gen. Sär­ge wer­den nicht bil­lig sein mor­gen früh. Es gibt so­wie­so kaum noch
wel­che in Deutsch­land. Aber du kannst ja einen ma­chen las­sen in dei­nem La­ger
oben! Du hast ja ge­nü­gend Leu­te da­für.«
    »So? Das ist al­so der Dank! Der Dank für al­les, was ich ris­kiert ha­be. Das ist
der Dank!«
    Sel­ma hör­te nicht auf Neu­bau­er. »Ich will nicht ver­bren­nen! Ich will nicht in
Stücke ge­ris­sen wer­den!« Sie wand­te sich an ih­re Toch­ter. »Fre­ya! Du hörst
dei­nen Va­ter! Dei­nen leib­li­chen Va­ter! Al­les, was wir wol­len, ist, nachts in
sei­nem Haus da oben schla­fen. Nichts wei­ter. Un­ser Le­ben ret­ten. Er wei­gert
sich. Die Par­tei. Was wird Dietz sa­gen? Was sagt Dietz zu den Bom­ben? Warum tut
die Par­tei da nichts? Die Par­tei ...«
    »Ru­hig, Sel­ma!«
    »Ru­hig, Sel­ma! Hörst du es, Fre­ya? Ru­hig! Still­ge­stan­den! Ru­hig ge­stor­ben!
Ru­hig, Sel­ma, das ist al­les, was er weiß!«
    »Fünf­zig­tau­send Men­schen sind in der­sel­ben Si­tua­ti­on«, sag­te Neu­bau­er mü­de.
»Al­le ...«
    »Fünf­zig­tau­send Men­schen ge­hen mich nichts an. Fünf­zig­tau­send Men­schen fra­gen
auch nicht da­nach, wenn ich kre­pie­re. Spar dir dei­ne Sta­tis­tik für Par­tei­re­den.«
    »Mein Gott ...«
    »Gott! Wo ist Gott? Ihr habt ihn weg­ge­jagt! Komm mir nicht mit Gott ...«
    Warum haue ich ihr nicht ei­ne her­un­ter? dach­te Neu­bau­er.
    Warum bin ich auf ein­mal so mü­de? Ich soll­te ihr ei­ne 'run­ter­hau­en! Scharf
auf­tre­ten!

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