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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
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er­schos­sen wor­den.
    Es dau­er­te lan­ge, bis die Leu­te über­nom­men wur­den. Die Be­gleit-SS, die sie
ab­lie­fer­te, ver­such­te ein paar Dut­zend To­te mit hin­ein zu schwin­deln, die sie
ver­ges­sen hat­te, ab­zu­schrei­ben. Doch die La­ger­bü­ro­kra­tie war auf ih­rer Hut; sie
ließ sich je­den ein­zel­nen Kör­per vor­zei­gen, tot oder le­ben­dig, und nahm nur die
an, die le­bend das Ein­gang­stor durch­schrit­ten.
    Da­bei kam es zu ei­nem Zwi­schen­fall, der der SS viel Ver­gnü­gen be­rei­te­te.
Wäh­rend der Trans­port vor dem Tor stand, hat­te noch ei­ne An­zahl Leu­te
schlapp­ge­macht. Ih­re Ka­me­ra­den er­such­ten sie mit­zu­schlep­pen, aber die SS kom­man­dier­te
Lauf­schritt, und sie muß­ten einen Teil der In­va­li­den ih­rem Schick­sal
über­las­sen.
    Et­wa zwei Dut­zend blie­ben lie­gen, ver­streut über die letz­ten zwei­hun­dert Me­ter
der Stra­ße. Sie krächz­ten und keuch­ten und zirp­ten wie ver­wun­de­te Vö­gel oder
la­gen ein­fach mit angst­voll auf­ge­ris­se­nen Au­gen da, zu schwach zum Schrei­en.
Sie wuß­ten, was sie er­war­te­te, wenn sie zu­rück­b­lie­ben; sie hat­ten Hun­der­te
ih­rer Ka­me­ra­den an Ge­nick­schüs­sen wäh­rend des Mar­sches ster­ben hö­ren.
    Die SS be­merk­te den Witz rasch. »Seht mal, wie die bet­teln, ins KZ zu kom­men«,
rief Stein­bren­ner.
    »Los! Los!« schrie­en die SS-Leu­te, die den Trans­port ab­ge­lie­fert hat­ten.
    Die Häft­lin­ge ver­such­ten zu krie­chen. »Schild­krö­ten­ren­nen!«, ju­bel­te
Stein­bren­ner.
    »Ich set­ze auf den Kahl­kopf in der Mit­te.«
    Der Kahl­kopf kroch mit weit aus­ge­brei­te­ten Hän­den und Kni­en wie ein er­schöpf­ter
Frosch auf dem glän­zen­den As­phalt vor­wärts. Er pas­sier­te einen an­de­ren
Häft­ling, der fort­wäh­rend in den Ar­men ein­knick­te und sich müh­sam wie­der
auf­rich­te­te, aber kaum vor­wärts kam. Al­le Krie­chen­den hiel­ten die Köp­fe auf
ei­ne son­der­ba­re Wei­se aus­ge­streckt – dem ret­ten­den Tor zu­stre­bend und
gleich­zei­tig ge­spannt nach rück­wärts hor­chend, ob Schüs­se knal­len wür­den.
    »Los, vor­wärts, Kahl­kopf!«
    Die SS bil­de­te Spa­lier. Plötz­lich krach­ten von hin­ten zwei Schüs­se. Ein
SS-Schar­füh­rer der Be­gleit­mann­schaft hat­te sie ab­ge­ge­ben. Grin­send steck­te er
sei­nen Re­vol­ver wie­der ein. Er hat­te nur in die Luft ge­schos­sen.
    Die Häft­lin­ge aber wur­den durch die Schüs­se von To­des­angst ge­packt. Sie glaub­ten,
daß die zwei letz­ten von ih­nen er­schos­sen wor­den sei­en. In ih­rer Auf­re­gung
ka­men sie jetzt noch schlech­ter vor­wärts als vor­her. Ei­ner blieb lie­gen; er
streck­te die Ar­me aus und fal­te­te die Hän­de. Sei­ne Lip­pen beb­ten, und auf
sei­ner Stirn bil­de­ten sich di­cke Schweiß­trop­fen. Ein zwei­ter leg­te sich still
und er­ge­ben nie­der, das Ge­sicht in den Hän­den.
    Er be­weg­te sich nicht mehr.
    »Noch sech­zig Se­kun­den!« schrie Stein­bren­ner. »Ei­ne Mi­nu­te! In ei­ner Mi­nu­te
wird das Tor zum Pa­ra­dies ge­schlos­sen. Wer dann nicht drin ist, muß drau­ßen
blei­ben.«
    Er blick­te auf sei­ne Arm­band­uhr und be­weg­te das Tor, als woll­te er es
schlie­ßen.
    Ein Stöh­nen der mensch­li­chen In­sek­ten ant­wor­te­te. Der SS-Schar­füh­rer der
Be­gleit­mann­schaft gab einen neu­en Schuß ab.
    Das Krab­beln wur­de ver­zwei­fel­ter. Nur der Mann mit dem Ge­sicht in den Hän­den
rühr­te sich nicht. Er hat­te ab­ge­schlos­sen.
    »Hur­ra!« rief Stein­bren­ner. »Mein Kahl­kopf hat es ge­schafft!«
    Er gab dem Mann einen er­mun­tern­den Tritt in den Hin­tern. Gleich­zei­tig wa­ren ei­ni­ge an­de­re durch das Tor ge­langt, aber mehr als die
Hälf­te war noch drau­ßen.
    »Noch drei­ßig Se­kun­den!« rief Stein­bren­ner im Ton ei­nes Rund­funk-Zeit­an­sa­gers.
Das Ra­scheln und Krat­zen und Jam­mern ver­stärk­te sich. Zwei Leu­te la­gen hilf­los
auf der Stra­ße, mit den Ar­men und Bei­nen ru­dernd, als woll­ten sie schwim­men.
Sie hat­ten nicht mehr die Kraft, hoch­zu­kom­men.
    Ei­ner wein­te in ei­nem ho­hen Fal­sett.
    »Piepst wie 'ne Maus«, er­klär­te Stein­bren­ner, der wei­ter auf sei­ne

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