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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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wie es Atem hol­te und
sprach, und sie wuß­te, daß es bei ihr ge­nau­so aus­se­hen muß­te. Es war ihr wie
ei­ne son­der­ba­re Ob­szö­ni­tät er­schie­nen, daß der As­sis­tenz­arzt sie so se­hen
konn­te, wäh­rend sie sei­nen Atem im Dun­kel hör­te.
    Die Schwes­ter kam.
»Wer ist vor mir?« frag­te Lil­li­an.
    »Fräu­lein Sa­vi­ni.«
    Lil­li­an zog ih­ren
Mor­gen­rock an und folg­te der Schwes­ter zum Auf­zug. Sie sah durch das Fens­ter
den grau­en Tag. »Ist es kalt?« frag­te sie.
    »Nein. Vier Grad.«
    Der Früh­ling wird
bald da sein, dach­te sie. Der kran­ke Wind, der Föhn, das nas­se, klat­schen­de
Wet­ter, die schwe­re Luft, das hal­be Er­sti­cken mor­gens. Ma­ria Sa­vi­ni kam aus dem
Rönt­gen­ka­bi­nett. Sie schüt­tel­te ihr schwar­zes Haar zu­recht. »Wie war es?«
frag­te Lil­li­an.
    »Er sagt nichts.
Ist schlech­ter Lau­ne. Wie ge­fällt dir mein neu­er Mor­gen­rock?«
    »Wun­der­ba­re Sei­de.«
    »Wirk­lich? Von
Li­sio aus Flo­renz.« Ma­ria ver­zog ihr ver­brauch­tes Ge­sicht und lach­te. »Was
bleibt uns üb­rig? Wenn wir abends nicht raus dür­fen, müs­sen wir hier mit un­sern
Dres­sing­gowns prun­ken. Kommst du heu­te abend zu mir rü­ber?«
    »Ich weiß noch
nicht.«
    »Fräu­lein
Dun­ker­que, der Pro­fes­sor war­tet«, mahn­te die Schwes­ter aus der Tür.
    »Komm!« sag­te
Ma­ria. »Die an­dern kom­men auch! Ich ha­be neue Plat­ten aus Ame­ri­ka.
Phan­tas­tisch!«
    Lil­li­an trat in das
halb­dunkle Ka­bi­nett. »End­lich!« sag­te der Dalai La­ma. »Ich woll­te, Sie wä­ren
ein­mal pünkt­lich!«
    »Es tut mir leid.«
    »Schon gut! Die
Fie­ber­kar­te.«
    Die Schwes­ter
reich­te sie ihm. Er stu­dier­te sie und flüs­ter­te mit dem As­sis­tenz­arzt. Lil­li­an
ver­such­te zu ver­ste­hen, was er sag­te. Es ge­lang ihr nicht. »Licht aus!« sag­te
der Dalai La­ma schließ­lich. »Bit­te nach rechts – nach links – noch
ein­mal ...«
    Der
phos­pho­res­zie­ren­de Wi­der­schein des Schirms spie­gel­te sich auf sei­nem kah­len
Kopf und in der Bril­le des As­sis­tenz­arz­tes. Lil­li­an wur­de es je­des Mal et­was
schlecht, wenn sie so at­men und nicht at­men muß­te – es war wie kurz vor
ei­ner Ohn­macht.
    Die Un­ter­su­chung
dau­er­te län­ger als ge­wöhn­lich. »Zei­gen Sie mir noch ein­mal das Kran­ken­blatt«,
sag­te der Dalai La­ma.
    Die Schwes­ter
knips­te das Licht an. Lil­li­an stand ne­ben dem Schirm und war­te­te. »Sie hat­ten
zwei Rip­pen­fell­ent­zün­dun­gen?« frag­te der Dalai La­ma. »Ei­ne durch Ih­re ei­ge­ne
Un­vor­sich­tig­keit?«
    Lil­li­an ant­wor­te­te
nicht so­fort. Wo­zu frag­te er? Es stand ja im Kran­ken­blatt. Oder hat­te das
Kro­ko­dil ge­klatscht, und er woll­te jetzt al­te Sa­chen wie­der auf­wär­men, um ihr
neu­en Krach zu ma­chen? »Stimmt es, Fräu­lein Dun­ker­que?« wie­der­hol­te der
Pro­fes­sor.
    »Ja.«
    »Sie hat­ten Glück.
Fast kei­ne Ver­wach­sun­gen. Wo­her aber zum Teu­fel ...«
    Der Dalai La­ma
blick­te auf. »Sie kön­nen ins Zim­mer ne­ben­an ge­hen. Bit­te, ma­chen Sie sich
zu­recht zum Auf­fül­len des Pneu­mos.«
    Lil­li­an folg­te der
Schwes­ter. »Was ist es?« flüs­ter­te sie. »Flüs­sig­keit?«
    Die Schwes­ter
schüt­tel­te den Kopf. »Viel­leicht die Tem­pe­ra­tur­schwan­kun­gen ...«
    »Aber das hat doch
nichts mit mei­nen Lun­gen zu tun! Es ist nur die Auf­re­gung! Miss So­mer­vil­les
Ab­rei­se! Der Föhn! Ich bin doch ne­ga­tiv! Ich bin doch nicht po­si­tiv! Oder
doch?«
    »Nein, nein. Kom­men
Sie, le­gen Sie sich hin! Sie müs­sen fer­tig sein, wenn der Pro­fes­sor kommt.«
    Die Schwes­ter
rück­te die Ma­schi­ne her­an. Es nützt nichts, dach­te Lil­li­an. Für Wo­chen ha­be ich
nun al­les ge­tan, was sie woll­ten, und an­statt bes­ser ist es si­cher wie­der
schlech­ter ge­wor­den. Daß ich ges­tern aus­ge­ris­sen bin, kann nicht der Grund
sein; ich ha­be ja heu­te kein Fie­ber – viel­leicht hät­te ich so­gar wel­ches
ge­habt, wä­re ich im Sa­na­to­ri­um ge­blie­ben, das weiß man nie. Was will er jetzt
mit mir ma­chen? Wird er in mir her­um­boh­ren und mich punk­tie­ren, oder wird er
mich nur wie­der auf­fül­len wie einen mü­den Bal­lon?
    Der Pro­fes­sor kam
her­ein. »Ich

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