E.M. Remarque
möglich?«
»Warum nicht? Blumen
sind Blumen und unterscheiden sich im allgemeinen wenig. Die Möglichkeit, daß
es entdeckt wird, ist gering. Daß einmal eine seltene Orchidee in dieselben
Hände zurückkommen könnte, die sie geschickt haben, ist ein so
unwahrscheinlicher Zufall, daß niemand damit zu rechnen braucht.«
Clerfayt nahm
Lillians Arm. »Was wollen wir tun? Einen Schock bekommen oder über den
unverwüstlichen Geschäftsgeist der Menschheit lachen? Ich schlage vor, wir
lachen – täten wir das nicht ab und zu heutzutage, dann könnten wir in
unserem großartigen Jahrhundert noch ertrinken in Tränen.«
Lillian sah auf die
Blumen. »Ekelhaft«, flüsterte sie. »Von einer Toten zu stehlen.«
»Nicht mehr und
nicht weniger ekelhaft als vieles andere«, erwiderte Clerfayt. »Ich hätte auch
nie gedacht, daß ich einmal Leichen nach Zigaretten und Brot durchsuchen würde
und habe es doch getan. Im Kriege. Es ist anfangs scheußlich; aber man gewöhnt
sich daran, besonders wenn man sehr hungrig ist und lange nicht geraucht hat.
Kommen Sie, wir gehen etwas trinken.«
Sie blickte immer
noch auf die Blumen. »Sollen sie da liegen bleiben?«
»Natürlich. Sie
haben nichts mehr mit Ihnen, nichts mit der Toten und nichts mit mir zu tun.
Ich schicke Ihnen morgen neue. Aus einem anderen Geschäft.«
Clerfayt öffnete
den Schlag des Schlittens. Dabei sah er das Gesicht des Kutschers, dessen Augen
ruhig, aber interessiert auf den Orchideen ruhten, und er wußte, daß der Mann,
wenn er Lillian und ihn zum Hotel gebracht hatte, hierher zurückkehren und sie
auflesen würde. Was dann mit ihnen geschehen würde, wußte nur Gott. Einen
Augenblick dachte Clerfayt daran, sie zu zertreten – aber wozu sollte er
selbst Gott spielen? Es bekam einem nie besonders.
Der
Schlitten
hielt. Vor dem Eingang zum Hotel lagen Bretter über dem feuchten Schnee.
Lillian stieg aus. Sie erschien Clerfayt plötzlich in einer sonderbaren Weise
exotisch, als sie so schmal, etwas vorgebeugt, ihren dünnen Mantel über der
Brust eng zusammenhaltend, in ihren Abendschuhen zwischen den trampelnden
Sportsleuten hindurchging, umweht in all der krachenden Gesundheit von der
dunklen Faszination ihrer Krankheit.
Er folgte ihr.
Worin lasse ich mich da ein? dachte er. Und mit wem? Immerhin, es war etwas
anderes, als Lydia Morelli, mit der er vor einer Stunde ein Telefongespräch aus
Rom gehabt hatte. Lydia Morelli, die jeden Trick kannte und keinen vergaß.
Er holte Lillian an
der Tür ein. »Heute abend«, sagte er, »wollen wir einmal über nichts anderes
reden als über die oberflächlichsten Dinge der Welt.«
Eine Stunde später war
die Bar gepackt voll. Lillian blickte zur Tür. »Da kommt Boris«, sagte sie.
»Ich hätte es mir denken sollen.«
Clerfayt hatte den
Russen bereits gesehen. Wolkow schob sich langsam durch die Leute, die wie
Trauben an der Theke hingen. Er ignorierte Clerfayt. »Dein Schlitten wartet
draußen, Lillian«, sagte er.
»Schick den
Schlitten weg, Boris«, erwiderte sie. »Ich brauche ihn nicht. Das ist Herr
Clerfayt. Du bist ihm schon einmal begegnet.«
Clerfayt erhob
sich, um eine Spur zu nachlässig.
»Wirklich?« sagte
Wolkow. »Oh, in der Tat! Bitte, verzeihen Sie.« Er sah knapp an Clerfayt
vorbei. »In dem Sportwagen, der die Pferde scheu machte, nicht wahr?«
Clerfayt spürte den
versteckten Hohn. Er antwortete nicht und blieb stehen. »Du hast wahrscheinlich
vergessen, daß morgen noch einmal Röntgenaufnahmen gemacht werden sollen«,
sagte Wolkow zu Lillian.
»Ich habe es nicht
vergessen, Boris.«
»Du mußt ausgeruht
sein und geschlafen haben.«
»Ich weiß das. Ich
habe noch Zeit dazu.«
Sie sprach langsam,
wie man zu einem Kind spricht, das einen nicht
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