E.M. Remarque
mindestens drei Wochen. Es ist eine seltene Art.«
»Sind Sie
Orchideenkenner?«
»Ja, mein Herr. Ich
habe viele Sorten gesehen. Auch im Ausland.«
In Südamerika,
dachte Clerfayt. Vielleicht hat er dort nach Ablieferung der Särge ab und zu
noch eine kleine Dschungelexpedition mitgemacht, um später staunenden Kindern
und Kindeskindern davon erzählen zu können. »Packen Sie es ein«, sagte er und
zog den schwarzen Samthandschuh Lillians aus der Tasche. »Legen Sie dies dazu.
Haben Sie einen Briefumschlag und eine Karte?«
Er
ging
zurück zum Dorf. Unterwegs schien ihm, als wittere er immer noch den widerlich
süßlichen Rauch des Krematoriums. Er wußte, daß es unmöglich war; der Föhn
hatte den Rauch zwar heruntergedrückt, aber er war jetzt viel zu weit entfernt,
um noch etwas riechen zu können. Es war nur die Erinnerung an Öfen, die Tag und
Nacht gebrannt hatten – Öfen, nicht weit von dem Lager, in dem er gefangen
gehalten worden war. Öfen, die er vergessen wollte.
Er trat in eine
Kneipe. »Einen doppelten Kirsch.«
»Nehmen Sie einen
Pflümli«, sagte der Wirt. »Wir haben einen ganz hervorragenden. Kirsch wird
zuviel gepanscht.«
»Pflaumenschnaps
nicht?«
»Er ist weniger
bekannt und wird nicht exportiert. Versuchen Sie ihn einmal.«
»Gut. Geben Sie mir
einen doppelten.«
Der Wirt schenkte
das Glas bis zum Rande voll. Clerfayt trank es leer. »Sie haben einen guten
Zug«, erklärte der Wirt. »Aber schmecken Sie auf diese Weise auch etwas?«
»Ich wollte nichts
schmecken; ich wollte einen Geschmack vertreiben. Geben Sie mir noch einen;
diesmal werde ich ihn schmecken.«
»Doppelt?«
»Doppelt.«
»Dann nehme ich
auch einen«, sagte der Wirt. »Trinken ist eine ansteckende Krankheit.«
»Auch bei Wirten?«
»Ich bin nur halb
Wirt; halb bin ich Maler. In meiner freien Zeit. Ein Kurgast hat es mir
beigebracht.«
»Gut«, sagte
Clerfayt. »Dann wollen wir auf die Kunst trinken. Das ist eine der wenigen
Sachen, auf die man heute noch mit einiger Sicherheit trinken kann.
Landschaften schießen nicht. Salut!«
Er
ging zur
Garage, um nach Giuseppe zu sehen. Der Wagen stand in dem großen, dämmerigen
Raum ziemlich weit hinten, mit dem Kühler zur Wand.
Clerfayt blieb am
Eingang stehen. Er sah im Halbdunkel jemand am Steuer sitzen. »Spielen Ihre
Lehrlinge hier Rennfahrer?« fragte er den Besitzer der Garage, der mit ihm
gekommen war.
»Das ist kein
Lehrling. Er sagt, er wäre ein Freund von Ihnen.«
Clerfayt sah
schärfer hin und erkannte Hollmann.
»Stimmt das nicht?«
fragte der Besitzer.
»Doch, es stimmt.
Wie lange ist er schon hier?«
»Noch nicht lange.
Fünf Minuten.«
»Ist er das erste
Mal hier?«
»Nein; er war heute
morgen schon einmal da – aber nur für einen Augenblick.«
Hollmann saß mit
dem Rücken zu Clerfayt am Steuer Giuseppes. Es war ohne Zweifel, daß er in
seiner Phantasie ein Rennen fuhr. Man hörte das leise Klickern der Gänge beim
Schalten. Clerfayt überlegte einen Augenblick, dann winkte er dem Garagisten
und ging hinaus. »Verraten Sie nicht, daß ich ihn gesehen habe«, sagte er.
Der Mann nickte
ohne Neugier.
»Lassen Sie ihn mit
dem Wagen machen, was er will. Hier –« Clerfayt zog den Autoschlüssel aus
der Tasche. »Geben sie ihm den Schlüssel, wenn er danach fragt. Wenn er nicht
fragt, stecken Sie ihn in die Zündung, wenn er fortgegangen ist. Für das
nächste Mal. Natürlich, ohne die Zündung einzuschalten. Sie verstehen?«
»Ich soll ihn
machen lassen, was er will? Auch mit dem Schlüssel?«
»Auch mit dem
Wagen«, sagte Clerfayt.
Er traf Hollmann
beim Mittagessen im Sanatorium. Hollmann sah müde aus. »Föhn«, sagte er. »Jeder
fühlt sich bei dem Wetter scheußlich. Man schläft schlecht; schwer, mit
verrückten Träumen. Und du?«
»Normaler
Katzenjammer. Zuviel
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