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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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von Freun­den um­ge­ben,
sie hin­gen an ih­ren Bü­geln von den Wän­den, von den Tü­ren des Schran­kes, und
ih­re Schu­he stan­den gol­den und kas­ta­ni­en­far­ben und schwarz ne­ben­ein­an­der in
ei­ner Rei­he mit dün­nen, ho­hen Ab­sät­zen auf der Kom­mo­de, als wä­ren sie
zu­rück­ge­las­sen wor­den von ei­nem Trupp sehr ele­gan­ter Bot­ti­cel­li-En­gel, die für
kur­ze Zeit zur Sain­te-Cha­pel­le zu ei­ner mit­ter­nächt­li­chen An­be­tung fort­ge­flo­gen
wa­ren und mit dem Mor­gen­grau­en zu­rück­kom­men wür­den. Nur ei­ne Frau konn­te
wis­sen, dach­te sie, wie­viel Trost in ei­nem Nichts von ei­nem Hut lie­gen konn­te.
Sie wan­der­te um­her in der Nacht zwi­schen ih­ren Sa­chen, sie hielt den Bro­kat in
das Mond­licht, sie setz­te ei­ne klei­ne Hut­kap­pe auf und pro­bier­te ein Paar
Schu­he und manch­mal ein Kleid an, sie stand in dem blei­chen Licht for­schend vor
dem Spie­gel und sah in das mat­te Phos­pho­res­zie­ren, in ihr Ge­sicht, auf ih­re
Schul­tern, ob sie schon ein­ge­sun­ken sei­en, auf ih­re Brüs­te, ob sie schon mü­de
und auf ih­re Bei­ne, ob sie schon die nach in­nen wei­sen­den Kur­ven der Ma­ger­keit
an den Ober­schen­keln zeig­ten. Noch nicht, dach­te sie, noch nicht, und setz­te
das laut­lo­se ge­spens­ti­sche Spiel fort, ein an­de­res Paar Schu­he, ein biß­chen
Hut, von dem man nicht wuß­te, wie es sich auf den Haa­ren hielt, die paar Stücke
Schmuck, die sie be­saß und die nachts aus­sa­hen, als hät­ten sie He­xen­kraft, und
das Bild im Spie­gel, das zu­rück­lä­chel­te und zu­rück­frag­te und zu­rück­blick­te, als
wis­se es mehr als sie selbst.
    Cler­fa­yt starr­te sie an,
als er sie wie­der sah, so hat­te sie sich ver­än­dert. Er hat­te sie
an­ge­ru­fen – nach­dem er zwei Ta­ge in Pa­ris war – wie ei­ne un­be­que­me
Pflicht, ver­mischt mit et­was Neu­gier, und hat­te ei­ne Stun­de blei­ben wol­len. Er
blieb den Abend. Es wa­ren nicht al­lein die Klei­der, das sah er so­fort. Er hat­te
ge­nug Frau­en ge­se­hen, die sich gut an­zo­gen, und von Klei­dern ver­stand Ly­dia
Mo­rel­li mehr als ein Drills­er­geant vom Ex­er­zie­ren. Es war Lil­li­an, die sich
ver­än­dert hat­te. Ihm schi­en, als ha­be er vor ein paar Wo­chen ein hal­b­es
Mäd­chen, ein leicht schlak­si­ges, nicht ganz aus­ge­wach­se­nes Et­was ver­las­sen und
plötz­lich je­mand wie­der ge­fun­den, der die mys­ti­sche Gren­ze der Ado­les­zenz
ge­ra­de pas­siert und noch ih­ren Reiz, aber schon die ma­gi­sche Si­cher­heit ei­ner
sehr schö­nen, jun­gen Frau hat­te. Er hat­te Lil­li­an ver­las­sen wol­len; jetzt war
er froh, noch ei­ne spä­te Chan­ce zu ha­ben, sie hal­ten zu kön­nen. In der
Ab­we­sen­heit hat­te er sich die Ei­gen­schaf­ten ver­grö­ßert und ein­ge­re­det, die sie
et­was pro­vin­zi­ell ge­macht hat­ten – den Miß­klang zwi­schen zu star­ker
In­ten­si­tät und zu un­si­che­rer Form, den er als leich­te Hys­te­rie ge­deu­tet hat­te.
Nichts war da­von mehr da. Ei­ne Flam­me brann­te, ru­hig und stark, und er wuß­te,
wie sel­ten das war. Es gab un­zäh­li­ge Kü­chen­lich­ter in Sil­ber­kan­de­la­bern, und
Ju­gend wur­de oft mit der Flam­me ver­wech­selt und hat­te auch et­was da­von, bis sie
durch Kal­ku­la­ti­on und Re­si­gna­ti­on trü­be wur­de – aber hier war et­was
an­de­res. Warum hat­te er das vor­her nicht ge­se­hen? Er hat­te es ge­spürt, aber er
hat­te es nicht er­kannt. Es schi­en ihm, als ha­be er ei­ne Fo­rel­le ge­se­hen, die man
in ein Aqua­ri­um ge­steckt hat­te, das zu klein für sie war und die dort über­all
un­ge­schickt an­s­tieß und Pflan­zen aus­riss und Schlamm auf­rühr­te. Jetzt,
plötz­lich, war sie nicht mehr be­hin­dert durch die Schei­ben und Stei­ne –
sie hat­te den Fluss ge­fun­den, der zu ihr ge­hör­te, und stieß nicht mehr an; sie
spiel­te mit ih­rer ei­ge­nen Schnel­lig­keit und mit den Far­ben des Re­gen­bo­gens, die
auf ih­rer glat­ten Haut wie run­de Blit­ze schim­mer­ten.
    »Mein On­kel Gas­ton
will mir ei­ne Par­ty ge­ben«, sag­te Lil­li­an ein paar Aben­de spä­ter.
    »So?«
    »Ja. Er will mich
ver­hei­ra­ten.«
    »Im­mer noch?«
    »Mehr als je!

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