E.M. Remarque
Ehrgeiz
begrenzter Wünsche und Ziele, dem Müdewerden, und dem Sich-zur-Ruhe-setzen, der
ewigen Wiederholung, dem langsamen Verschleiß. Nur in der einen nicht, die dort
mit Fiola tanzt, in der, die Sie hergebracht haben. Wie haben Sie das gemacht?«
Clerfayt zuckte die
Achseln.
»Wo haben Sie sie
gefunden?«
Clerfayt zögerte.
»Um in Ihrem Stil zu bleiben, Levalli – vor den Toren des Hades. Es ist
das erste Mal in Jahren, daß Sie so lyrisch sind.«
»Man hat nicht oft
Gelegenheit dazu. Vor den Toren des Hades. Ich will Sie nicht weiter fragen. Es
ist genug, um die Phantasie blühen zu lassen. In dem grauen Zwielicht der
Hoffnungslosigkeit, dem nur Orpheus entrann. Aber selbst er mußte den Preis
zahlen: doppelte Einsamkeit – so paradox das auch klingt – weil er
eine Frau aus dem Hades zurückholen wollte. Sind Sie bereit, zu zahlen,
Clerfayt?«
Clerfayt lächelte.
»Ich bin abergläubisch. Antworten auf solche Fragen gebe ich nicht kurz vor
einem Rennen.«
Es ist die Nacht
Obérons, dachte Lillian, während sie mit Fiola und Torriani tanzte. Alles ist
verzaubert mit vielem Licht, mit blauen Schatten, mit Leben und Unwirklichkeit
zur gleichen Zeit. Man hört keine Schritte; man hört nur Gleiten und Musik.
Dies habe ich mir gedacht, als ich im Schnee in meinem Zimmer, mit der
Fieberkarte am Bett, saß und auf die Konzerte des Radios in Neapel und Paris
lauschte. Es ist, als ob man nicht sterben könnte in solch einer Nacht zwischen
Mond und Meer und dem sanften Wind mit dem Geruch der Mimosen und
Orangenblüten. Man begegnet sich und hält sich eine Weile und verliert sich und
findet sich in den Armen eines andern wieder, die Gesichter wechseln, aber die
Hände sind dieselben.
Sind es dieselben?
dachte sie. Dort sitzt mein Geliebter mit dem melancholischen Mann, der für
kurze Zeit auf Erden der Besitzer dieses traumhaften Gartens ist, und ich sehe,
daß sie von mir sprechen. Es ist der melancholische Mann, der spricht, und er
wird dasselbe wissen wollen, was er mich gefragt hat. Das Geheimnis! Gibt es
nicht ein altes Märchen, in dem ein Zwerg heimlich lacht, weil keiner sein
Geheimnis kennt? Seinen Namen?
Sie lächelte.
»Woran denken Sie?« fragte Fiola, der es bemerkte.
»An ein Märchen, in
dem das Geheimnis eines Menschen darin bestand, daß niemand seinen Namen
wußte.«
Fiola zeigte seine
Zähne. Sie schienen doppelt so weiß in seinem tiefbraunen Gesicht zu sein als
bei den andern. »Ist das nicht auch Ihr Geheimnis?« fragte er. Sie schüttelte
den Kopf. »Was ist schon ein Name?« Fiola blickte auf die Reihe der Mütter, die
unter Palmen einen Teil der Tanzfläche umsäumten. »Für manche Leute alles«,
sagte er.
Sie sah im
Vorrübertanzen, daß Clerfayt sie nachdenklich anschaute. Er hält mich fest, und
ich liebe ihn, dachte sie, weil er da ist und nicht fragt. Wann wird er zu
fragen beginnen? Ich hoffe nie. Vielleicht nie. Wir werden keine Zeit dazu
haben. »Sie lächeln, als ob Sie sehr glücklich wären«, sagte Fiola. »Ist das Ihr
Geheimnis?«
Wie töricht auch er
fragt, dachte Lillian. Warum hat er nicht bereits in der Schule gelernt, daß
man Frauen nie fragen soll, ob sie glücklich seien.
»Was ist Ihr
Geheimnis?« fragte Fiola. »Eine große Zukunft?«
Sie schüttelte
wieder den Kopf. »Keine«, sagte sie heiter. »Sie wissen nicht, wie leicht das
vieles machen kann.«
»Sehen Sie Fiola
an«, sagte die alte Contessa Vitelleschi in der Ecke der Mütter. »Er benimmt
sich, als ob es außer dieser Fremden keine jungen Frauen hier gäbe.«
»Das ist ziemlich
natürlich«, erwiderte Teresa Marchetti. »Wenn er so oft mit einer unserer
Frauen tanzte, wäre er schon halb verlobt, und ihre Brüder würden es als
Beleidigung betrachten, heiratete er sie nicht.«
Die Vitelleschi
starrte
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