Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
Vom Netzwerk:
Lil­lians Klei­der
hin­ein. Sie saß auf dem Bett und lach­te. »Es tut mir leid hier weg­zu­ge­hen«,
sag­te sie. »Ich ha­be es al­les sehr ge­liebt. Aber ich lie­be oh­ne Be­dau­ern.
Ver­stehst du das?«
    Cler­fa­yt hob den
Kopf. »Ich fürch­te, ja. Du be­dau­erst nicht, et­was zu ver­las­sen.«
    Sie lach­te wie­der,
die Bei­ne lan­g­aus­ge­streckt, ein Glas Wein in der Hand. »Es spielt kei­ne Rol­le
mehr. Ich bin aus dem Sa­na­to­ri­um weg­ge­gan­gen – seit­dem kann ich weg­ge­hen,
wo ich will.«
    So wird sie
viel­leicht auch von mir weg­ge­hen, dach­te Cler­fa­yt. Wie man ein Ho­tel wech­selt.
»Hier ist der De­gen ei­nes deut­schen Ma­jors«, sag­te er. »Er muß ihn in der
Auf­re­gung ver­ges­sen ha­ben, ein fluch­wür­di­ges Ver­hal­ten für einen deut­schen
Of­fi­zier. Ich wer­de ihn im Kof­fer las­sen. Im üb­ri­gen bist du auf ei­ne char­man­te
Wei­se be­trun­ken. Zum Glück ha­be ich schon vor zwei Ta­gen für dich ein Zim­mer im
Ritz be­stellt. Oh­ne das wä­re es heu­te schwie­rig, dort am Con­cier­ge
vor­über­zu­kom­men.«
    Lil­li­an griff nach
dem De­gen des Ma­jors und sa­lu­tier­te sit­zend. »Du ge­fällst mir sehr. Warum nen­ne
ich dich nie beim Vor­na­men?«
    »Nie­mand tut das?«
    »Das wä­re ein Grund
es zu tun.«
    »Fer­tig«, sag­te
Cler­fa­yt. »Willst du den Sä­bel mit­neh­men?«
    »Lass ihn hier.«
    Cler­fa­yt steck­te
die Schlüs­sel ein und gab Lil­li­an ih­ren Man­tel. »Bin ich zu dünn?« frag­te sie.
    »Nein; ich glau­be,
du hast ein paar Pfund zu­ge­nom­men.«
    »Das ist das
ein­zi­ge, wor­auf es an­kommt«, mur­mel­te sie.
    Sie lie­ßen die
Kof­fer in ein Ta­xi brin­gen, das hin­ter ih­nen her­fuhr. »Liegt mein Zim­mer im
Ritz nach der Place Ven­dô­me zu?« frag­te Lil­li­an.
    »Ja. Nicht nach der
Rue Cam­bon.«
    »Wo wohn­test du,
als du hier warst im Krie­ge?«
    »Nach der Rue
Cam­bon, nach­dem ich aus dem Ge­fan­ge­nen­la­ger zu­rück­ge­kom­men war. Es war ein
gu­tes Ver­steck; nie­mand er­war­te­te, daß man dort un­ter­krie­chen wür­de. Mein
Bru­der wohn­te da­mals an der Place Ven­dô­me auf der deut­schen Sei­te. Wir sind
El­säs­ser. Mein Bru­der hat einen deut­schen, ich einen fran­zö­si­schen Va­ter.«
    »Konn­te dein Bru­der
dich nicht schüt­zen?«
    Cler­fa­yt lach­te.
»Er ahn­te nicht, daß ich da war, und er hät­te mich am liebs­ten in Si­bi­ri­en
ge­wußt. So weit weg wie mög­lich. Siehst du den Him­mel? Es wird Mor­gen. Hörst du
die Vö­gel? Man hört sie nur um die­se Zeit in den Städ­ten. Na­tur­freun­de müs­sen
in den Nacht­klubs durch­hal­ten, um Dros­seln hö­ren zu kön­nen auf dem Weg nach
Hau­se.«
    Sie bo­gen in die
Place Ven­dô­me ein. Der wei­te, graue Platz lag sehr still da. Un­ter den Wol­ken
schim­mer­te der frü­he Tag in star­kem Gelb. »Wenn man sieht, wie wun­der­bar die
Men­schen frü­her ge­baut ha­ben, soll­te man an­neh­men, daß sie glück­li­cher ge­we­sen
sind als wir«, sag­te Lil­li­an. »Glaubst du das?«
    »Nein«, er­wi­der­te
Cler­fa­yt. Er ließ den Wa­gen vor dem Ein­gang aus­lau­fen. »Ich bin in die­sem
Au­gen­blick glück­lich«, sag­te er. »Ganz gleich, ob wir wis­sen, was das ist oder
nicht. Ich bin glück­lich in die­sem Au­gen­blick, in die­ser Stil­le, auf die­sem
Platz, mit dir. Und wenn du aus­ge­schla­fen hast, fah­ren wir ab. In klei­nen
Etap­pen nach dem Sü­den. Nach Si­zi­li­en, zu dem Ren­nen, von dem ich dir schon
er­zählt ha­be: der Tar­ga Flo­rio.«

12
    D ie hun­dert­acht
Ki­lo­me­ter lan­ge Stre­cke der Tar­ga Flo­rio mit ih­ren fast vier­zehn­hun­dert Kur­ven
war je­den Tag ei­ni­ge Stun­den zum Trai­ning ab­ge­sperrt. Da die Fah­rer auch
zwi­schen den Sperr­stun­den die Stre­cke lang­sam ab­fuh­ren, um die Kur­ven, das
Ge­fäl­le und den Stra­ßen­zu­stand zu me­mo­rie­ren, hing das Grol­len der schwe­ren
Mo­to­ren von Däm­me­rung zu Däm­me­rung über der wei­ßen Land­stra­ße und der wei­ßen
Land­schaft.
    Cler­fa­yts zwei­ter
Fah­rer war Al­fre­do Tor­ria­ni, ein vier­und­zwan­zig Jah­re al­ter Ita­lie­ner. Bei­de
wa­ren fast den gan­zen Tag drau­ßen. Abends ka­men sie ver­brannt, hung­rig und
durs­tig zu­rück.
    Cler­fa­yt

Weitere Kostenlose Bücher