Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
Vom Netzwerk:
hat­te
Lil­li­an ver­bo­ten, beim Trai­ning da­bei­zu­sein. Er woll­te nicht, daß sie wie ei­ne
der Frau­en und Freun­din­nen der Fah­rer wür­de, die mit Stopp­uh­ren und Pa­pie­ren in
den Stän­den sa­ßen, die von den Fa­bri­ken für Re­pa­ra­tu­ren, Ben­zin und
Rei­fen­wech­sel auf­ge­baut wa­ren, und sich nütz­lich mach­ten. Er hat­te sie statt
des­sen mit ei­nem Freun­de be­kannt ge­macht, der ein Haus am Meer be­saß, und sie
dort hin­ge­bracht. Der Mann hieß Le­val­li und war der Be­sit­zer ei­ner
Thun­fisch-Fang­flot­te. Cler­fa­yt hat­te ihn nicht oh­ne Über­le­gung aus­ge­sucht:
Le­val­li war ein Äs­thet, kahl­köp­fig, be­leibt und ho­mo­se­xu­ell.
    Lil­li­an lag
tags­über am Meer oder im Gar­ten, der Le­val­lis Vil­la um­gab. Der Gar­ten war
ver­wil­dert, ro­man­tisch und voll von Mar­mor­sta­tu­en wie ein Ge­dicht Ei­chen­dorffs.
Lil­li­an hat­te nie den Wunsch, Cler­fa­yt fah­ren zu se­hen; aber sie lieb­te das
lei­se Grol­len der Mo­to­ren, das bis in die Stil­le der Oran­gen­hai­ne drang. Der
Wind brach­te es her­über, zu­sam­men mit dem schwe­ren Duft der Blü­ten; es
ver­ei­nig­te sich mit dem Rau­schen des Mee­res zu ei­nem auf­re­gen­den Kon­zert.
Lil­li­an spür­te es, als ob Cler­fa­yt zu ihr sprä­che. Es hing den gan­zen Tag
un­sicht­bar über ihr; sie über­ließ sich ihm, so wie sie sich dem hei­ßen si­zi­lia­ni­schen
Him­mel und dem wei­ßen Glanz des Mee­res über­ließ. Cler­fa­yt war im­mer da; –
ob sie im Schat­ten ei­nes Göt­ter­bil­des un­ter den Pi­ni­en schlief oder auf ei­ner
Bank saß und Pe­trar­ca las oder die Be­kennt­nis­se des Au­gus­ti­nus, – ob sie
am Mee­re hock­te oh­ne einen Ge­dan­ken in der Welt oder auf der Ter­ras­se saß in
der rät­sel­haf­ten Stun­de vor dem Zwie­licht, wenn die Ita­li­e­ne­rin­nen be­reits
fe­li­cis­si­ma not­te sa­gen und hin­ter je­dem Wort das Fra­ge­zei­chen ei­nes
un­be­kann­ten Got­tes zu ste­hen scheint – das fer­ne Rol­len war im­mer da, die
Trom­mel des Him­mels und des Abends, und es fand im­mer ei­ne Re­so­nanz in ih­rem
Blut, das lei­se beb­te und ant­wor­te­te. Abends kam Cler­fa­yt dann, be­glei­tet von
dem Grol­len, das an­stieg zum Don­ner, wenn der Wa­gen her­an­fuhr. »Wie die Göt­ter
der An­ti­ke«, sag­te Le­val­li zu Lil­li­an. »Un­se­re mo­der­nen Con­dot­tie­ri er­schei­nen
mit Don­ner und Blitz, als wä­ren sie Söh­ne Ju­pi­ters.«
    »Sie lie­ben es
nicht?«
    »Ich mag kei­ne
Mo­to­ren mehr. Sie er­in­nern mich zu sehr an den Lärm der Bom­ben­flug­zeu­ge im
Krie­ge.« Der sen­si­ti­ve, be­leib­te Mann leg­te ein Kla­vier­kon­zert von Cho­pin auf
das Gram­mo­phon. Lil­li­an sah ihn nach­denk­lich an. Merk­wür­dig, dach­te sie, wie
ein­sei­tig man im­mer nur an sei­ne ei­ge­ne Er­fah­rung und die ei­ge­ne Ge­fahr
ge­bun­den ist: Ob die­ser Äs­thet und Kunst­ken­ner je dar­über nach­denkt, was die
Thun­fi­sche emp­fin­den, wenn sei­ne Flot­te sie ab­schlach­tet? Le­val­li gab ei­ni­ge
Ta­ge spä­ter ein Fest. Er hat­te un­ge­fähr hun­dert Gäs­te da­zu ein­ge­la­den. Ker­zen
und Wind­lich­ter brann­ten, die Nacht war ster­nen­klar und warm und das Meer glatt
und ein mäch­ti­ger Spie­gel für den rie­si­gen Mond, der tief und rot am Ho­ri­zont
schweb­te wie ein Bal­lon von ei­nem an­de­ren Pla­ne­ten. Lil­li­an war ent­zückt.
»Ge­fällt es Ih­nen?« frag­te Le­val­li.
    »Es ist al­les, was
ich mir ge­wünscht ha­be.«
    »Al­les?«
    »Na­he­zu al­les. Ich
ha­be vier Jah­re da­von ge­träumt, wenn ich in den Ber­gen zwi­schen Schnee­wän­den
ge­fan­gen saß. Es ist völ­lig das Ge­gen­teil von Schnee – und völ­lig das
Ge­gen­teil von Ber­gen ...«
    »Das freut mich«,
sag­te Le­val­li. »Ich ge­be nur noch sel­ten Fes­te.«
    »Warum? Weil es
sonst zur Ge­wohn­heit wür­de?«
    »Nein. Es macht
mich – wie soll ich sa­gen – me­lan­cho­lisch. Meis­tens will man et­was
ver­ges­sen, wenn man Fes­te gibt – aber man ver­gisst es nicht. Auch die
an­de­ren ver­ges­sen es nicht.«
    »Ich will nichts
ver­ges­sen.«
    »Nein?« frag­te
Le­val­li höf­lich.
    »Nicht mehr«,
er­wi­der­te Lil­li­an.
    Le­val­li

Weitere Kostenlose Bücher