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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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nicht mehr fra­gen. »Las­sen Sie ihn wei­ter­fah­ren«, sag­te er.
    »So­lan­ge er kann.
Er ist jung, er kann es aus­hal­ten.«
    »Er ist zu ner­vös.«
    »Er fährt
groß­ar­tig.«
    Der Renn­lei­ter
nick­te. »Es wä­re oh­ne­hin Selbst­mord für Sie, mit Ih­rer Schul­ter, in den
Kur­ven«, sag­te er, un­auf­rich­tig.
    »Es wä­re kein
Selbst­mord. Ich müß­te nur lang­sa­mer fah­ren.«
    »Hei­li­ge Mut­ter
Got­tes!« be­te­te der Renn­lei­ter wei­ter. »Lass To­rel­lis Brem­sen fest­fres­sen!
Nicht, daß er stürzt, aber so, daß er nicht wei­ter­fah­ren kann. Schüt­ze We­ber
und Tor­ria­ni! Gib Bor­do­ni ein Loch in den Tank!« Er wur­de bei je­dem Ren­nen in
sei­ner Wei­se fromm; im Au­gen­blick, wenn es zu En­de war, be­gann er er­leich­tert
wie­der zu flu­chen.
    Ei­ne Run­de vor
Schluß roll­te der Wa­gen Tor­ria­nis vor das De­pot. Tor­ria­ni hing über dem
Steu­er­rad. »Was ist los?« brüll­te der Renn­lei­ter. »Kön­nen Sie nicht
wei­ter­fah­ren? Was ist los? Hebt ihn raus! Cler­fa­yt! Hei­li­ge, ge­lob­te Ma­don­na,
Mut­ter der Schmer­zen – er hat einen Hitz­schlag! Un­glaub­lich! So heiß ist
es doch gar nicht! Im Früh­jahr! Kön­nen Sie nicht wei­ter­fah­ren? Der
Wa­gen ...«
    Die Mon­teu­re
ar­bei­te­ten schon. »Cler­fa­yt!« be­te­te der Renn­lei­ter. »Brin­gen Sie nur den Wa­gen
zu­rück! We­ber liegt als drit­ter vor­ne, es macht nichts, selbst wenn wir ein
paar Mi­nu­ten ver­lie­ren! Sie wer­den im­mer noch vier­ter. Rein in die Kis­te!
Him­mel, Herr­gott, was für ein Ren­nen!«
    Cler­fa­yt saß schon im
Wa­gen. Tor­ria­ni war zu­sam­men­ge­fal­len. »Nur den Wa­gen zu­rück!« be­te­te der
Renn­lei­ter. »Brin­gen Sie nur den Wa­gen zu­rück! Und den vier­ten Preis! We­ber
na­tür­lich den drit­ten! Oder den zwei­ten. Und noch ein klei­nes Loch in Bor­do­nis
Tank! Da­zu, in dei­ner Gü­te, hei­li­ge Jung­frau, ein paar de­fek­te Rei­fen für die
üb­ri­ge Kon­kur­renz! Das sü­ße Blut Je­su ...«
    Ei­ne Run­de, dach­te
Cler­fa­yt. Sie geht vor­über. Man kann den Schmerz er­tra­gen. Er ist ge­rin­ger, als
in ei­nem Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger am Kreu­ze zu hän­gen. Ich ha­be einen Jun­gen
ge­se­hen, dem vom SD in Ber­lin die ge­sun­den Zäh­ne bis in die Wur­zeln auf­ge­bohrt
wor­den wa­ren, da­mit er Freun­de ver­ra­ten soll­te. Er hat­te sie nicht ver­ra­ten.
We­ber liegt vor­ne. Es ist egal, was ich ma­che. Es ist nicht egal! Wie sich das
dreht! Die Kar­re ist doch kein Flug­zeug! Her­un­ter mit dem ver­damm­ten Gas­he­bel!
Angst ist schon der hal­be Un­fall!
    Die
me­cha­ni­sche
Stim­me des An­sa­gers dröhn­te: »Cler­fa­yt ist wie­der im Ren­nen. Tor­ria­ni ist
aus­ge­fal­len!«
    Lil­li­an sah den
Wa­gen vor­über­schie­ßen. Sie sah die ban­da­gier­te Schul­ter. Die­ser Narr! dach­te
sie. Die­ses Kind, das nie auf­ge­wach­sen ist. Leicht­sinn ist nicht Mut. Er wird
wie­der stür­zen! Was wis­sen sie al­le vom To­de, die­se leicht­fer­ti­gen Ge­sun­den?
Die oben wis­sen es, die je­den Atem­zug wie ei­ne Be­loh­nung er­kämp­fen müs­sen! Ei­ne
Hand ne­ben ihr schob ei­ne Vi­si­ten­kar­te in die ih­re. Sie warf sie weg und stand
auf. Sie woll­te fort­ge­hen. Hun­dert Au­gen rich­te­ten sich auf sie. Es war, als
folg­ten ihr hun­dert lee­re Lin­sen, die die Son­ne re­flek­tier­ten. Sie folg­ten ihr
auf­merk­sam. Lee­re Au­gen, dach­te sie. Au­gen, die se­hen und nicht se­hen. War es
nicht im­mer so? Wo nicht? Sie dach­te wie­der an das Sa­na­to­ri­um im Schnee. Dort
war es an­ders ge­we­sen. Dort wa­ren wis­sen­de Au­gen ge­we­sen.
    Sie ging die Trep­pe
der Tri­bü­ne hin­un­ter. Was tue ich hier, un­ter die­sen frem­den Men­schen? dach­te
sie und blieb ste­hen, als hät­te ein star­ker Wind­stoß sie ge­trof­fen. Ja, was tue
ich hier? dach­te sie. Ich woll­te hier­her zu­rück; aber kann man zu­rück? Ich
woll­te mit al­ler Kraft mei­nes Her­zens zu­rück; aber ge­hö­re ich jetzt da­zu? Bin
ich ge­wor­den wie die an­dern hier? Sie sah sich um. Nein, dach­te sie, ich ge­hö­re
nicht da­zu! Man konn­te nicht zu­rück in die Wär­me der Ah­nungs­lo­sig­keit. Man
konn­te nichts un­ge­sche­hen ma­chen. Das dunkle

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