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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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jetzt nicht mehr.«
    Tor­ria­ni nahm einen
großen Schluck. »Renn­fah­rer sind nach dem Ren­nen so emp­find­lich wie Kreb­se nach
dem Häu­ten. Ge­ben Sie uns kei­nen Kom­plex.« Cler­fa­yt lach­te. »Du meinst, man
sol­le Gott nicht ver­su­chen, Lil­li­an?«
    Sie nick­te. »Nur
wenn gar nichts an­de­res üb­rig bleibt. Nicht aus Fri­vo­li­tät.«
    »Großer Gott!«
wie­der­hol­te Tor­ria­ni. »Fri­vo­li­tät!« Er stand auf und ging zu Ga­bri­el­li hin­über.
    »Ich re­de Un­sinn«,
sag­te Lil­li­an ver­zwei­felt zu Cler­fa­yt. »Hör nicht auf mich!«
    »Du re­dest kei­nen
Un­sinn. Du bist nur über­ra­schend.«
    »Warum?«
    Er blieb ste­hen.
»Fra­ge ich dich je, ins Sa­na­to­ri­um zu­rück­zu­ge­hen?« sag­te er ru­hig.
    Sie blick­te ihn an.
Sie hat­te bis jetzt ge­glaubt, er wüss­te nichts oder hät­te an­ge­nom­men, daß ihr
nicht viel feh­le. »Ich brau­che nicht ins Sa­na­to­ri­um zu­rück«, er­wi­der­te sie
rasch.
    »Das weiß ich. Aber
ha­be ich dich je ge­fragt?«
    Sie hör­te die
Iro­nie. »Ich soll­te nicht re­den, wie?«
    »Doch«, sag­te er.
»Im­mer.«
    Sie lach­te. »Ich lie­be
dich sehr, Cler­fa­yt. Sind al­le Frau­en nach dem Ren­nen so al­bern wie ich?«
    »Das ha­be ich
ver­ges­sen. Ist das ein Kleid von Ba­len­cia­ga?«
    »Das ha­be ich auch
ver­ges­sen.«
    Er be­fühl­te sei­ne
Ba­cken­kno­chen und sei­ne Schul­ter. »Ich wer­de heu­te abend ein Ge­sicht wie ein
bun­ter Pud­ding ha­ben und ei­ne ge­schwol­le­ne Schul­ter. Wol­len wir zu Le­val­li
hin­aus­fah­ren, so­lan­ge ich noch steu­ern kann?«
    »Mußt du nicht zu
dei­nem Renn­lei­ter?«
    »Nein. Da ist nur
ei­ne Sie­ges­fei­er im Ho­tel.«
    »Fei­erst du nicht
gern Sie­ge?«
    »Je­der ge­won­ne­ne
Sieg ist ei­ner we­ni­ger. Ei­ner we­ni­ger zu ge­win­nen«, sag­te er. Sein Ge­sicht
be­gann be­reits zu schwel­len. »Wirst du mir heu­te abend nas­se Um­schlä­ge auf das
Ge­sicht ma­chen und mir da­zu ein Ka­pi­tel aus der Kri­tik der rei­nen Ver­nunft
vor­le­sen?«
    »Ja«, sag­te
Lil­li­an. »Und ir­gend­wann möch­te ich nach Ve­ne­dig fah­ren.«
    »Warum?«
    »Es hat kei­ne Ber­ge
und kei­ne Au­to­mo­bi­le.«

14
    S ie
blie­ben
noch zwei Wo­chen in Si­zi­li­en. Cler­fa­yt heil­te sei­ne Schul­ter aus. Sie leb­ten in
Le­val­lis ver­wil­der­tem Gar­ten und am Meer. Die Vil­la war ei­ne Ka­bi­ne, die über
dem Meer und über der Zeit hing, die dar­un­ter oh­ne An­fang und oh­ne En­de
hin­weg­rausch­ten. Cler­fa­yt hat­te noch ein paar Wo­chen bis zum nächs­ten Ren­nen.
»Wol­len wir hier blei­ben?« frag­te er. »Oder wol­len wir zu­rück?«
    »Wo­hin?«
    »Nach Pa­ris. Oder
ir­gend­wo­hin. Wenn man nir­gend­wo zu Hau­se ist, kann man über­all­hin fah­ren. Hier
wird es jetzt heiß.«
    »Ist der Früh­ling
schon vor­bei?«
    »Hier un­ten ja.
Aber wir kön­nen Gi­u­sep­pe neh­men und ihm nach­fah­ren. In Rom fängt er jetzt erst
an.«
    »Und wenn er dort
vor­bei ist?«
    Cler­fa­yt lach­te.
»Dann fah­ren wir ihm wei­ter nach, wenn du willst. Er fängt dann in der
Lom­bar­dei an den Seen an. Wir kön­nen ihm fol­gen in die Schweiz, den Rhein
hin­un­ter, bis wir ihn in al­len Far­ben in den Tul­pen­fel­dern von Hol­land vor dem
Meer lie­gen se­hen. Das ist dann, als stän­de die Zeit still.«
    »Hast du das schon
ein­mal ge­tan?«
    »Ja, vor hun­dert
Jah­ren. Vor dem Krie­ge.«
    »Mit ei­ner Frau?«
    »Ja, aber es war
an­ders.«
    »Es ist si­cher
im­mer an­ders. Auch mit der­sel­ben Frau. Ich bin nicht ei­fer­süch­tig.«
    »Ich woll­te, du
wä­rest es.«
    »Ich fän­de es
schreck­lich, wenn du nichts er­lebt hät­test und mir er­zäh­len wür­dest, ich wä­re
die ers­te Frau in dei­nem Le­ben.«
    »Du bist es.«
    »Ich bin es nicht;
aber wenn du mei­net­we­gen für ei­ni­ge Zeit die Na­men der an­dern ver­ges­sen hast,
ist das ge­nug.«
    »Wol­len wir
fah­ren?«
    Lil­li­an schüt­tel­te
den Kopf. »Noch nicht. Ich will mir nicht vor­ma­chen, daß die Zeit still­ste­he.
Ich will sie füh­len und mich nicht be­trü­gen. Sie stand still in den Win­tern des
Sa­na­to­ri­ums; aber ich stand nicht still. Ich wur­de an ihr ent­lang­ge­ris­sen wie
an ei­ner Eis­wand, hin und her.«
    »Stehst du jetzt
still?«
    Sie

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