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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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wie be­freit und war er­staunt dar­über. Er hat­te nie vor­her
dar­an ge­dacht, je zu hei­ra­ten; jetzt schi­en es ihm auf ein­mal
selbst­ver­ständ­lich, und er ver­stand nicht, daß er nicht frü­her dar­an ge­dacht
hat­te. Er konn­te sich sein Le­ben oh­ne Lil­li­an oh­ne­hin nicht mehr vor­stel­len.
Das war we­der tra­gisch noch ro­man­tisch noch sen­ti­men­tal; sein Le­ben oh­ne sie
er­schi­en ihm ein­fach plötz­lich nicht an­ders als ei­ne mo­no­to­ne Rei­he von
Jah­ren – wie Zim­mer, die al­le ähn­lich aus­se­hen und in de­nen das Licht
aus­ge­gan­gen ist.
    Er gab auf sie zu
su­chen. Er wuß­te, daß es zweck­los war; wenn sie zu­rück­käme, wür­de sie ent­we­der
zu ihm kom­men oder nicht. Er ahn­te nicht, daß sie be­reits wie­der im Ho­tel
Bis­son wohn­te. Sie woll­te noch ei­ni­ge Ta­ge al­lein blei­ben. Sie woll­te nicht,
daß Cler­fa­yt sie sä­he, bis sie sich wie­der so fühl­te, wie sie sein muß­te, um
ge­sund zu wir­ken. Sie schlief viel und ging nicht aus. Wäh­rend Cler­fa­yt ih­re
Kof­fer im Ho­tel Ritz be­wach­te, leb­te sie aus den bei­den Hand­kof­fern, die sie
mit nach Si­zi­li­en ge­nom­men hat­te.
    Ihr war, als sei
sie nach ei­nem großen Sturm in einen Ha­fen zu­rück­ge­kom­men, aber als sei der
Ha­fen in­zwi­schen ver­wan­delt wor­den. Die Ku­lis­sen hat­ten ge­wech­selt; oder
viel­mehr, es wa­ren noch die­sel­ben, aber das Licht hat­te ge­wech­selt. Es war
jetzt klar und be­stimmt, un­barm­her­zig, aber oh­ne Trau­er. Der Sturm war vor­bei.
Die ro­sa­far­be­ne Täu­schung auch. Es gab kein Ent­kom­men. Auch kei­ne Kla­ge. Der
Lärm be­gann zu ver­stum­men. Bald, und sie wür­de ihr Herz hö­ren kön­nen. Nicht nur
sei­nen Ruf – auch sei­ne Ant­wort.
    Der ers­te, den sie
wie­der auf­such­te, war On­kel Gas­ton. Er war über­rascht, sie zu se­hen, zeig­te
aber nach ei­ni­gen Mi­nu­ten so et­was wie vor­sich­ti­ge Freu­de. »Wo wohnst du
jetzt?« frag­te er.
    »Im Bis­son. Nicht
teu­er, On­kel Gas­ton.«
    »Du glaubst, Geld
ver­meh­re sich über Nacht. Wenn du so wei­ter­machst, hast du bald nichts mehr.
Weißt du, wie lan­ge es noch rei­chen wird, wenn du es so wei­ter aus­gibst?«
    »Nein. Ich will es
auch nicht wis­sen.«
    Ich muß mich
be­ei­len zu ster­ben, dach­te sie iro­nisch.
    »Du hast im­mer über
dei­ne Ver­hält­nis­se ge­lebt. Frü­her leb­te man von den Zin­sen sei­nes Ka­pi­tals.«
    Lil­li­an lach­te.
»Ich ha­be ge­hört, daß in der Stadt Ba­sel an der Schwei­zer Gren­ze je­mand be­reits
als Ver­schwen­der an­ge­se­hen wird, wenn er nicht von den Zin­ses­zin­sen lebt.«
    »Die Schweiz«,
er­wi­der­te Gas­ton, als sprä­che er von der Ve­nus Kal­li­py­gos. »Mit der Wäh­rung!
Ein glück­li­ches Volk!« Er sah Lil­li­an an. »Ich könn­te dir ein Zim­mer in mei­ner
Woh­nung frei­ma­chen. Du spar­test so das Ho­tel.«
    Lil­li­an blick­te
sich um. Er wür­de sei­ne klei­nen Rän­ke spin­nen und ver­su­chen, sie un­ter die
Hau­be zu brin­gen, dach­te sie. Und sie zu über­wa­chen. Er hat­te Angst, daß sie
ihn sein ei­ge­nes Geld kos­ten kön­ne. Ihr kam kei­nen Au­gen­blick der Ge­dan­ke, ihm
die Wahr­heit zu sa­gen. »Ich wer­de dich nichts kos­ten, On­kel Gas­ton«, er­klär­te
sie. »Nie!«
    »Der jun­ge Boi­leau
hat öf­ter nach dir ge­fragt?«
    »Wer ist das?«
    »Der Sohn von den
Uh­ren-Boi­le­aus. Sehr an­stän­di­ge Fa­mi­lie. Die Mut­ter ...«
    »Der mit der
Ha­sen­schar­te?«
    »Ha­sen­schar­te! Was
du für vul­gä­re Na­men hast! Ei­ne klei­ne Sa­che, die in al­ten Fa­mi­li­en öf­ter
vor­kommt! Au­ßer­dem ist sie ope­riert. Kaum zu se­hen. Män­ner sind doch
schließ­lich kei­ne Man­ne­quins!«
    Lil­li­an be­trach­te­te
den klei­nen, recht­ha­be­ri­schen Mann. »Wie alt bist du, On­kel Gas­ton?«
    »Was soll das schon
wie­der? Du weißt es ja!«
    »Und wie alt,
glaubt du, wirst du wer­den?«
    »Das ist ei­ne
ge­ra­de­zu un­an­stän­di­ge Fra­ge. So et­was fragt man äl­te­re Leu­te nicht. Das steht
bei Gott.«
    »Bei Gott steht
vie­les. Er wird ein­mal ei­ne Men­ge Fra­gen zu be­ant­wor­ten ha­ben, meinst du nicht?
Ich ha­be ihn auch ei­ni­ges zu fra­gen.«
    »Was?« Gas­ton riß
die Au­gen auf. »Was

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