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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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Pa­ris
ge­sucht und nir­gend­wo ei­ne Spur ge­fun­den. Schließ­lich hat­te er an­ge­nom­men, daß
sie ihn ver­las­sen ha­be. Selbst On­kel Gas­ton hat­te ihm miß­mu­tig mit­ge­teilt, er
wis­se nicht, wo sei­ne Nich­te sei; es gin­ge ihn auch nichts an. Cler­fa­yt hat­te
ver­sucht, sie zu ver­ges­sen und so wei­ter­zu­le­ben, wie er es vor ihr ge­tan hat­te;
aber es war ge­we­sen, als hät­te er ver­sucht in Leim zu tan­zen.
    Ei­ne Wo­che nach
sei­ner Rück­kehr traf er Ly­dia Mo­rel­li. »Ist dei­ne Schwal­be aus­ge­flo­gen?« frag­te
sie.
    »Sie muß dir ei­ne
Men­ge Kopf­schmer­zen ma­chen. Frü­her frag­test du nicht nach an­de­ren Frau­en.«
    »Hat sie dich ver­las­sen?«
    »Ver­las­sen!«
er­wi­der­te Cler­fa­yt lä­chelnd. »Was ist das für ein alt­mo­di­sches Wort!«
    »Es ist ei­nes der
äl­tes­ten der Welt.« Ly­dia be­ob­ach­te­te ihn.
    »Spie­len wir ei­ne
Ehe­sze­ne aus dem Jah­re 1890?«
    »Du bist al­so
wirk­lich ver­liebt!«
    »Und du bist
ei­fer­süch­tig.«
    »Ich bin
ei­fer­süch­tig; aber du bist un­glück­lich. Das ist ein Un­ter­schied.«
    »Wirk­lich.«
    »Ja. Ich weiß, auf
wen ich ei­fer­süch­tig bin; du nicht. Gib mir et­was zu trin­ken.«
    Cler­fa­yt ging mit
ihr es­sen. Wäh­rend des Abends ver­dich­te­te sich sei­ne Rat­lo­sig­keit über Lil­li­an
zu dem pri­mi­ti­ven Är­ger des Man­nes, ver­las­sen wor­den zu sein, be­vor er selbst
ver­las­sen konn­te. Ly­dia hat­te mit spit­zer Na­del einen emp­find­li­chen Punkt
ge­trof­fen.
    »Du soll­test
hei­ra­ten«, sag­te sie spä­ter.
    »Wen?«
    »Das weiß ich
nicht. Du bist reif.«
    »Dich?«
    Sie lä­chel­te. »Das
möch­te ich dir nicht an­tun. Du hast auch viel zu­we­nig Geld für mich. Hei­ra­te
je­mand mit Geld. Es gibt ge­nug Frau­en mit Geld. Wie lan­ge willst du noch Ren­nen
fah­ren? Das ist et­was für jun­ge Män­ner.«
    Cler­fa­yt nick­te.
»Das weiß ich, Ly­dia.«
    »Mach nicht so ein
be­stürz­tes Ge­sicht. Wir wer­den al­le äl­ter. Man muß sich ar­ran­gie­ren, ehe es zu
spät ist.«
    »Muß man?«
    »Sei kein Narr. Was
sonst?«
    Ich ken­ne je­mand,
der sich nicht ar­ran­gie­ren will, dach­te er. »Hast du schon über­legt, wen ich
hei­ra­ten soll, Ly­dia? Du bist plötz­lich so vor­sorg­lich.«
    Sie sah ihn prü­fend
an. »Dar­über kön­nen wir re­den. Du hast dich ver­än­dert.«
    Cler­fa­yt schüt­tel­te
den Kopf und stand auf. »Leb wohl, Ly­dia.«
    Sie kam dicht zu
ihm her­an. »Du kommst doch wie­der?«
    »Wie lan­ge ken­nen
wir uns schon?«
    »Vier Jah­re. Mit
vie­len Lö­chern dar­in.«
    »Wie ein Bro­kat, in
dem die Mot­ten ge­fres­sen ha­ben?«
    »Wie zwei Men­schen,
die nie ei­ne Ver­ant­wort­lich­keit über­neh­men woll­ten – die al­les ha­ben und
nichts ge­ben woll­ten.«
    »Bei­des stimmt
nicht.«
    »Wir ha­ben gut
zu­ein­an­der ge­paßt, Cler­fa­yt.«
    »Wie al­le Leu­te,
die nir­gend­wo­hin pas­sen?«
    »Das weiß ich
nicht. Soll ich dir ein Ge­heim­nis ver­ra­ten?«
    »Daß es kei­nes gibt
und al­les ei­nes ist?«
    »Nein, das ist für
Män­ner. Ei­nes von Frau­en. Nichts ist ganz so schlimm und nichts ganz so gut,
wie wir glau­ben. Und nichts ist end­gül­tig. Komm, heu­te abend.«
    Er
ging
nicht. Er war stumpf und fühl­te sich scheuß­lich. Es war nicht wie es ge­wöhn­lich
war in sol­chen Fäl­len. Er ver­miß­te Lil­li­an nicht nur, er ver­miß­te et­was in sich
selbst. Oh­ne es zu mer­ken, hat­te er et­was von ih­rer Art zu le­ben an­ge­nom­men.
Ein Le­ben oh­ne Mor­gen, dach­te er. Aber man konn­te nicht so le­ben; es gab ein
Mor­gen, we­nigs­tens für ihn, auch trotz sei­nes Be­ru­fes; es soll­te ei­nes ge­ben.
    Sie hat mich
iso­liert, dach­te er ir­ri­tiert. Sie hat mich um vie­les jün­ger, aber auch
tö­rich­ter ge­macht. Frü­her wä­re ich zu Ly­dia Mo­rel­li ge­gan­gen und wä­re mit ihr
ge­blie­ben, so lan­ge ich ge­wollt hät­te, bas­ta; jetzt käme ich mir wie ein
Gym­na­si­ast vor, wenn ich es tä­te, und hät­te nach­her einen Kat­zen­jam­mer, als
hät­te ich schlech­ten Wein ge­trun­ken. Ich hät­te Lil­li­an hei­ra­ten sol­len, dach­te
er. Das war die Lö­sung! Ly­dia hat­te recht, wenn auch an­ders als sie glaub­te. Er
fühl­te sich plötz­lich

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