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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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letz­te so sehr, daß es schi­en, als wä­re es gar
nicht da.
    Sie über­quer­te die
Stra­ße zwi­schen zwei zit­tern­den, von ei­nem ro­ten Ver­kehrs­zei­chen ge­bann­ten
Rei­hen von hei­ßen Mons­tern, so wie Mo­ses mit dem Volk Is­rael einst das Ro­te
Meer. Im Sa­na­to­ri­um war es an­ders ge­we­sen, dach­te sie, da stand das letz­te Ziel
wie ei­ne fins­te­re Son­ne im­mer am Him­mel, man leb­te un­ter ihm, man igno­rier­te
es, aber man ver­dräng­te es nicht, und das gab tiefe­re Ein­sicht und tiefe­ren
Mut. Wer wuß­te, daß er ge­schlach­tet wur­de und nicht ent­kom­men konn­te, und wer
dem ent­ge­gensah mit die­ser letz­ten Ein­sicht und die­sem letz­ten Mut, der war
nicht ganz ein Op­fer­tier mehr. Er hat­te den Schläch­ter um ein win­zi­ges
über­wun­den.
    Sie kam zum Ho­tel.
Sie hat­te wie­der ein Zim­mer im ers­ten Stock, um nur ei­ne Trep­pe stei­gen zu
müs­sen. Der Mann mit den See­tie­ren stand vor der Tür des Re­stau­rants. »Es gibt
wun­der­ba­re Gar­ne­len«, sag­te er. »Aus­tern sind fast vor­bei. Die sind erst im
Sep­tem­ber wie­der gut. Wer­den Sie dann noch hier sein?«
    »Si­cher«, er­wi­der­te
sie.
    »Soll ich Ih­nen ein
Bu­kett Gar­ne­len zu­recht­ma­chen? Die grau­en sind am bes­ten. Die ro­sa­far­be­nen
se­hen bes­ser aus. Die grau­en?«
    »Die grau­en. Ich
las­se den Korb gleich her­un­ter. Da­zu ei­ne hal­be Fla­sche Vin rosé, sehr kalt.
Sa­gen Sie es Lu­ci­en, dem Ober­kell­ner.«
    Sie stieg die Trep­pe
lang­sam hin­auf. Dann ließ sie ih­ren Korb hin­un­ter und zog ihn wie­der her­auf.
Der Wein war ent­korkt und so kalt, daß die Fla­sche be­schla­gen war. Sie setz­te
sich in die Fens­ter­bank, die Fü­ße her­auf­ge­zo­gen und ge­gen den Rah­men ge­stemmt,
den Wein ne­ben sich. Lu­ci­en hat­te auch ein Glas und ei­ne Ser­vi­et­te ein­ge­packt.
Sie trank und be­gann die Gar­ne­len zu schä­len. Das Le­ben war gut so, fand sie,
und woll­te nicht wei­ter nach­den­ken. Dun­kel fühl­te sie et­was von ei­nem großen
Aus­gleich, aber sie woll­te jetzt nichts da­von wis­sen. Nicht in die­sem
Au­gen­blick. Daß ih­re Mut­ter an Krebs ge­stor­ben war, nach sehr schwe­ren
Ope­ra­tio­nen, hat­te et­was da­mit zu tun. Es gab im­mer noch Schlim­me­res als das,
was man selbst hat­te. Sie blin­zel­te in die Son­ne. Sie fühl­te das Licht. So sah
Cler­fa­yt sie, als er ge­gen al­le Er­war­tun­gen noch ein­mal am Bis­son
vor­bei­pa­trouil­lier­te.
    Er riß die Tür auf.
»Lil­li­an! Wo warst du?« rief er.
    Sie hat­te ihn die
Stra­ße über­que­ren se­hen. »In Ve­ne­dig, Cler­fa­yt.«
    »Aber warum?«
    »Ich ha­be dir doch
in Si­zi­li­en ge­sagt, daß ich ein­mal nach Ve­ne­dig wol­le. Es fiel mir in Rom
wie­der ein.«
    Er schloß die Tür
hin­ter sich. »In Ve­ne­dig al­so! Warum hast du mir nicht te­le­gra­fiert? Ich wä­re
ge­kom­men. Wie lan­ge warst du da?«
    »Ver­hörst du mich?«
    »Noch nicht. Ich
ha­be dich über­all ge­sucht, aber an Ve­ne­dig ha­be ich nicht ge­dacht. Mit wem
warst du da?«
    »Das nennst du
nicht ver­hö­ren?«
    »Ich ha­be dich
ver­misst! Ich ha­be mir weiß Gott was für Ge­dan­ken ge­macht! Ver­stehst du das
nicht?«
    »Ja«, sag­te
Lil­li­an. »Willst du von die­sen Gar­ne­len? Sie schme­cken nach Tang und Meer.«
    Cler­fa­yt nahm den
Papp­tel­ler und die Gar­ne­len und warf sie aus dem Fens­ter.
    Lil­li­an sah ih­nen
nach. »Du hast einen ge­schlos­se­nen Ci­troën ge­trof­fen. Hät­test du ei­ne Se­kun­de
län­ger ge­war­tet, dann hät­te ei­ne di­cke blon­de Da­me in ei­nem of­fe­nen Renault sie
ins Haar ge­kriegt. Gib mir bit­te mei­nen Korb mit dem Bind­fa­den. Ich bin noch
hung­rig.«
    Es sah ei­ne Se­kun­de
so aus, als wür­de Cler­fa­yt den Korb den Gar­ne­len nach­wer­fen. Dann gab er ihn
ihr.
    »Sag ihm, er sol­le
noch ei­ne Fla­sche Rosé her­auf­schi­cken las­sen«, sag­te er. »Und komm aus dem
Fens­ter­rah­men her­aus, da­mit ich dich in die Ar­me neh­men kann.«
    Lil­li­an glitt vom
Fens­ter­brett her­un­ter. »Hast du Gi­u­sep­pe mit­ge­bracht?«
    »Nein. Er steht auf
der Place Ven­dô­me und ver­ach­tet ein Dut­zend Bent­leys und Rolls Roy­ces, die um
ihn her­um ge­parkt sind.«
    »Hol ihn und lass
uns

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