E.M. Remarque
machen
werde. Wir haben reichlich für dieses Jahr.«
»Gut, dann lass uns
warten bis zum nächsten Jahr.«
»Warum warten?«
»Damit du siehst,
daß es Unsinn ist. Woher würdest du nächstes Jahr meine Kleider und Schuhe
kaufen? Du hast doch gesagt, daß dein Vertrag Ende dieses Jahres abläuft.«
»Man hat mir
angeboten, die Vertretung unserer Wagen zu übernehmen.«
Lillian hob ihr
Bein und betrachtete seine Linien. Sie werden zu dünn, dachte sie. »Du willst
Autos verkaufen?« fragte sie. »Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Ich auch nicht;
aber ich habe mir vieles nicht vorstellen können, was ich später getan habe.
Oder tun wollte. Zum Beispiel dich zu heiraten.«
»Warum willst du
alles gleich auf einmal? Ein geachteter Automobilhändler werden und heiraten?«
»Du tust, als wär
es beides ein nationales Unglück.«
Lillian glitt aus
dem Bett und griff nach einem Morgenrock. »Wo willst du Autos verkaufen?«
Clerfayt zögerte.
»Der Bezirk Toulouse wird frei.«
»Guter Gott!« sagte
Lillian. »Wann?«
»In einigen
Monaten. Im Herbst. Spätestens Ende des Jahres.«
Sie begann ihr Haar
zu kämmen. »Ich werde bald zu alt sein, um Rennen zu gewinnen«, sagte Clerfayt
gegen ihren Rücken vom Bett her. »Ich bin weder Nuvolari noch Caracciola. Ich
könnte vielleicht versuchen, Rennleiter irgendwo zu werden; aber dann müßte ich
auch wieder von einer Bahn zur andern ziehen, so wie unser dicker Cesare –
er wird seine Frau jetzt nicht einmal im Winter sehen, seit man auch in Afrika
und Südamerika wieder Rennen fahren will. Nein, ich habe genug davon. Ich will
mein Leben ändern.«
Warum wollen sie
immer ihr Leben ändern? dachte Lillian. Warum wollen sie das ändern, womit sie
eine Frau gewonnen haben? Fällt ihnen nie ein, daß sie dadurch die Frau
wahrscheinlich verlieren werden? Sogar Mario wollte am letzten Tag sein Dasein
als Gigolo aufgeben und mit mir ein ehrbares Leben beginnen. Und Clerfayt, der
glaubt, mich zu lieben und den ich liebte, weil er ohne Zukunft zu sein schien
wie ich, nun will auch er umschwenken, und er denkt noch, ich müsse glücklich
darüber sein.
»Ich habe manchmal
darüber nachgedacht, ob Menschen wie wir heiraten sollen«, sagte sie. »Keiner
der üblichen Gründe hat mir besonders eingeleuchtet. Am meisten noch der, den
mir ein kranker Schachspieler genannt hat: daß man im Augenblick der Todesangst
jemand bei sich haben möchte. Aber ich weiß nicht, ob man dann nicht ohnehin so
hoffnungslos allein ist, selbst wenn Scharen von Getreuen um das Bett
herumstehen, daß man es gar nicht bemerkt. Camilla Albei, die im Sanatorium
starb, hatte den Wunsch, daß wenigstens einer ihrer Liebhaber dabeisein sollte,
und um sicher zu sein, hatte sie deshalb mit großer Mühe die Beziehungen gleich
zu dreien aufrechterhalten und dafür gesorgt, daß alle innerhalb eines Tages an
ihrem Bett erscheinen konnten. Sie hatte sogar ihre letzte Affäre mit einem
ekelhaften, arroganten Kerl weit über alles Maß deswegen hinausgezogen. Sie
wurde in der Dorfstraße von einem Auto überfahren und starb eine halbe Stunde
später. Nicht einmal der ekelhafte Kerl war bei ihr – er saß in der
Konditorei Luft, wo niemand ihn vermutete, und aß Mohrenköpfe mit Schlagsahne.
Camillas Hand hielt der Dorfpolizist, den sie nie vorher gesehen hatte, und sie
war so dankbar dafür, daß sie versuchte, sie zu küssen. Sie kam nicht mehr
dazu.«
»Lillian«, sagte
Clerfayt ruhig. »Warum weichst du immer aus?«
Sie legte den Kamm
beiseite. »Begreifst du das nicht? Was ist nur geschehen, Clerfayt? Wir sind
vom Zufall zueinander geweht worden – warum willst du es nicht so lassen?«
»Ich will dich
behalten. Solange ich kann. Einfach, wie?«
»Nein. So
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