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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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Ge­gen­teil. Weil
du nach Ve­ne­dig ge­fah­ren bist.«
    »Gut, schen­ke mir
eins. Wo­hin ge­hen wir heu­te abend? Kann man schon im Bois sit­zen?«
    »Wenn man Män­tel
mit­nimmt. Sonst ist es noch zu kühl. Aber wir kön­nen hin­durch­fah­ren. Der Wald
ist hell­grün und ver­zau­bert mit Früh­jahr und blau­en Ben­zin­dämp­fen. Gan­ze Al­leen
voll Au­tos ste­hen abends in den Sei­ten­we­gen. Die Lie­be hängt über­all ih­re
Fah­nen aus den Fens­tern.«
    Lil­li­an nahm ein
Kleid aus schwar­zem, durch­sich­ti­gem Stoff, das einen dra­ma­ti­schen Rü­schen­wurf
aus me­xi­ka­ni­schem Rot hat­te, und schwenk­te es aus dem Fens­ter. »Auf die Lie­be«,
sag­te sie. »Die gött­li­che, die ir­di­sche, die klei­ne und die große, aber nicht
die in Tou­lou­se! Wann fährst du wie­der ab?«
    »Wo­her weißt du,
daß ich wie­der ab­fah­ren muß? Folgst du dem Renn­ka­len­der?«
    »Nein. Aber bei uns
weiß man nie, wer wen ver­läßt.«
    »Das wird sich
än­dern.«
    »Nicht vor En­de des
Jah­res!«
    »Hei­ra­ten kann man
auch frü­her.«
    »Lass uns vor­erst
Wie­der­se­hen und Ab­schied fei­ern. Wo­hin mußt du?«
    »Nach Rom. Und dann
zum Tau­send-Mei­len-Ren­nen durch Ita­li­en. In ei­ner Wo­che. Du kannst nicht
mit­kom­men. Man fährt und fährt, wei­ter nichts, bis man ein Stück Stra­ße und
Mo­tor ist.«
    »Wirst du
ge­win­nen?«
    »Die Mil­le Mig­lia
sind ein Ren­nen für Ita­lie­ner. Ca­rac­cio­la hat sie ein­mal ge­won­nen, für
Mer­ce­des, sonst aber schla­gen sich die Ita­lie­ner dar­um. Tor­ria­ni und ich fah­ren
nur als drit­tes Team. Für den Fall, daß et­was pas­siert. Kann ich hier blei­ben,
wäh­rend du dich an­ziehst?«
    Lil­li­an nick­te.
»Was für ein Kleid?« frag­te sie.
    »Ei­nes von de­nen,
die bei mir in Ge­fan­gen­schaft wa­ren.«
    Sie öff­ne­te den
Kof­fer. »Dies hier?«
    »Ja. Ich ken­ne es
gut.«
    »Du hast es nie
ge­se­hen.«
    »Nicht an dir; aber
ich ken­ne es trotz­dem. Es hat ein paar Näch­te lang in mei­nem Zim­mer ge­han­gen.«
    Lil­li­an dreh­te sich
um, einen Spie­gel in der Hand.
    »Wirk­lich?«
    »Ich ge­ste­he es«,
sag­te Cler­fa­yt. »Ich ha­be wie ein He­xen­be­schwö­rer dei­ne Klei­der her­aus­ge­hängt,
um dich zu­rück­zu­ru­fen. Ich ha­be das von dir ge­lernt. Es war schwar­ze Ma­gie und
au­ßer­dem ein Trost. Ei­ne Frau mag einen Mann ver­las­sen; aber nie ih­re Klei­der.«
    Lil­li­an prüf­te ih­re
Au­gen im Spie­gel. »Mei­ne Schat­ten wa­ren al­so bei dir.«
    »Nicht dei­ne
Schat­ten – dei­ne ab­ge­streif­ten und hin­ter­las­se­nen Schlan­gen­häu­te.«
    »Ich hät­te eher
ge­dacht, ei­ne an­de­re Frau.«
    »Das ha­be ich
ver­sucht. Aber du hast mich ver­dor­ben für an­de­re Frau­en. Sie wir­ken ge­gen dich
wie schlech­te Bunt­dru­cke ge­gen ei­ne Tän­ze­rin von De­gas.«
    Lil­li­an lach­te.
»Wie ei­ne der häß­li­chen, fet­ten Bal­lett­rat­ten, die er im­mer ge­malt hat?«
    »Nein. Wie ei­ne
Zeich­nung, die Le­val­li in sei­nem Hau­se hat. Die hast sie ge­se­hen – es ist
ei­ne Tän­ze­rin in hin­rei­ßen­der Be­we­gung, aber ihr Ge­sicht ist nur an­ge­deu­tet, so
daß je­der sei­nen ei­ge­nen Traum hin­ein­pro­ji­zie­ren kann.«
    Lil­li­an leg­te ih­re
Stif­te bei­sei­te. »Da­zu muß im­mer noch Raum sein, wie? Wenn al­les ganz fer­tig
aus­ge­malt ist, gibt es kei­nen Platz mehr für die Phan­ta­sie, meinst du das?«
    »Ja«, sag­te
Cler­fa­yt. »Man fängt sich nur in sei­nen ei­ge­nen Träu­men – nie in de­nen des
an­de­ren.«
    »Man fängt sich
oder ver­liert sich.«
    »Bei­des. So wie man
manch­mal träumt, kurz be­vor man er­wacht – man fällt und fällt in einen
end­lo­sen schwar­zen Raum. Kennst du das?«
    »Ich ken­ne es«,
sag­te Lil­li­an. »Ich träum­te so fast je­den Nach­mit­tag im Sa­na­to­ri­um, wenn wir
das hat­ten, was das Kro­ko­dil die Sies­ta nann­te – den Nach­mit­tags­schlaf,
aus dem man her­aus­fiel wie ein Stein in einen Ab­grund. Ist noch Wein da?«
    Cler­fa­yt brach­te
ihr ein Glas. Sie leg­te den Arm um sei­nen Nacken. »Es ist son­der­bar«, mur­mel­te
sie, »aber so­lan­ge man nicht ver­gisst, daß man fällt und fällt, ist nichts
ver­lo­ren. Das Le­ben scheint Pa­ra­do­xe zu lie­ben,

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