E.M. Remarque
keine üble Nachrede gebrauchen, die Vereinigten Staaten sind darin
ziemlich penibel. Mein Freund Ross, ein bekannter Journalist, und ich möchten
Sie davor bewahren.«
»Haben Sie etwas dagegen, wenn ich die
Polizei informiere?« fragte Hirsch, der offensichtlich einen Entschluß gefaßt
hatte.
»Nicht das Geringste. Wir können den Leuten
dann gleich unser Material übergeben.«
»Material! Erpressung wird in Amerika
ziemlich hoch bestraft. Verschwinden Sie!«
Kahn setzte sich auf einen der goldenen
Stühle. »Sie glauben, Hirsch«, sagte er in verändertem Ton, »daß Sie schlau
gewesen sind. Sie waren es nicht. Sie hätten Gräfenheim sein Geld wiedergeben
sollen. Hier, in meiner Tasche, ist eine Petition an die Einwanderungsbehörde,
Ihnen das amerikanische Bürgerrecht zu verweigern. Von hundert Emigranten
unterschrieben. Hier ist eine weitere Petition, Ihnen die Einbürgerung wegen
Ihrer Umtriebe mit der Gestapo in Deutschland nicht zu geben, von sechs
Personen unterschrieben, dazu eine genaue Schilderung, warum sie mehr Geld aus
Deutschland herausbekommen haben als andere, dabei steht der Name des Nazis,
der es für Sie in die Schweiz gebracht hat. Dann habe ich hier den
Zeitungsausschnitt aus Lyon über den Juden Hirsch, der bei einem Verhör durch
die Gestapo den Aufenthalt von zwei Flüchtlingen verraten hat, die beide
daraufhin erschossen worden sind. Protestieren Sie nicht, Herr Hirsch. Es mag
sein, daß Sie das nicht waren, aber ich werde behaupten, daß Sie es waren.«
»Was?«
»Ich werde bezeugen, daß Sie es waren. Man
weiß hier, was ich in Frankreich getan habe. Man glaubt mir mehr als Ihnen.«
Hirsch starrte Kahn an. »Sie wollen also
falsch aussagen.«
»Falsch nur im Sinne primitiver
Rechtsauffassung; nicht in der von Auge um Auge und Zahn um Zahn. In der
alttestamentarischen, Hirsch. Sie haben Gräfenheim zugrunde gerichtet, wir
richten Sie zugrunde. Es ist uns dabei egal, was wahr ist und was nicht. Ich
habe Ihnen schon gesagt, daß ich etwas von meiner Zeit unter den Nazis gelernt
habe.«
»Und Sie sind Jude?«
»Sowie Sie, leider!«
»Und Sie verfolgen einen Juden?«
Kahn war einen Augenblick verblüfft. »Ja«,
sagte er dann, »ich sagte Ihnen ja schon, daß ich von der Gestapo gelernt habe.
Dazu von der Technik der amerikanischen Gangster. Und, wenn Sie wollen, Herr
Hirsch, habe ich auch noch etwas von jüdischer Intelligenz.«
»Die Polizei in Amerika ...«
»Auch von der Polizei in Amerika haben wir
gelernt«, unterbrach Kahn. »Sogar einiges! Und wir brauchen sie nicht einmal.
Um Sie zu erledigen, genügen die Papiere in meiner Tasche. Ich lege keinen Wert
darauf, daß Sie ins Gefängnis kommen. Es genügt, wenn Sie in ein
Internierungslager eingewiesen werden.«
Hirsch hob die Hand. »Dazu gehört jemand
anders als Sie, Herr Kahn. Und dazu gehören andere Beweise als Ihre falschen
Anschuldigungen.«
»Meinen Sie?« erwiderte Kahn. »Im Krieg?
Für einen in Deutschland geborenen angeblichen Emigranten? Was geschieht Ihnen
denn schon in einem Internierungslager? Sie werden human eingesperrt. Dazu
braucht man nicht allzu viele Gründe. Und selbst wenn Sie am Lager vorbeikämen,
wie stände es mit Ihrer Einbürgerung? Zweifel und Klatsch können da schon
ausschlaggebend sein.«
Hirschs Hand krampfte sich um das Halsband
des Hundes. »Und bei Ihnen?« sagte er leise. »Wie würde es bei Ihnen sein, wenn
das herauskäme? Was würde mit Ihnen geschehen? Erpressung, falsche
Aussagen ...«
»Ich weiß genau, was daraufsteht«,
erwiderte Kahn. »Es ist mir gleichgültig. Ich pfeife darauf. Ich pfeife auf all
das! Auf das, was Ihnen wichtig ist, Sie Gauner mit Zukunftsträumen. Mir ist
alles egal, aber das
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