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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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Brün­hil­den-Kor­sett. »Wie rasch das Le­ben ver­fliegt! Bald wer­de ich auch so
sein und in den Kü­raß hin­ein­pas­sen und ei­nem Frau­enklub an­ge­hö­ren! Manch­mal
wa­che ich auf mit ei­ner schreck­li­chen Angst. Du auch?«
    »Ich auch.«
    »Wirk­lich? Du siehst nicht so aus.«
    »Du auch nicht, Na­ta­scha.«
    »Laß uns al­les her­aus­ho­len, was wir
kön­nen!«
    »Wir tun es schon.«
    »Mehr!« Sie preß­te sich an mich, so daß ich
sie von den Bei­nen bis zur Schul­ter fühl­te. Ihr Kleid war wie ein Ba­de­an­zug.
Das Haar hing in Sträh­nen her­un­ter, und ihr Ge­sicht war sehr bleich. »In
we­ni­gen Ta­gen ha­be ich ei­ne an­de­re Woh­nung«, mur­mel­te sie. »Dann kannst du zu
mir her­auf­kom­men, und wir brau­chen nicht mehr in Ho­tels und Knei­pen zu sit­zen.«
Sie lach­te. »Und sie ist luft­ge­kühlt.«
    »Ziehst du um?«
    »Nein. Es ist die Woh­nung von Freun­den.«
    »Fra­ser?« frag­te ich voll bö­ser Ah­nung.
    »Nein, nicht von Fra­ser.« Sie lach­te
wie­der. »Ich wer­de dich nicht mehr zum Gi­go­lo ma­chen, als für un­se­ren Kom­fort
un­be­dingt nö­tig ist, Ro­bert.«
    »Ich bin es oh­ne­hin schon«, sag­te ich. »Ich
tan­ze mit Blei­schu­hen auf dem Seil der Mo­ral und fal­le oft her­un­ter. Ein
an­stän­di­ger Emi­grant zu sein, ist ein sehr schwie­ri­ger Be­ruf.«
    »Sei ein un­an­stän­di­ger«, sag­te sie und
schritt mir vor­an auf die Stra­ße. Es war kühl ge­wor­den, und zwi­schen den Wol­ken
stan­den schon wie­der ei­ni­ge Ster­ne. Der As­phalt glänz­te in den Re­fle­xen der
Au­to­lich­ter, als füh­ren sie über schwar­zes Eis.
    »Du siehst zau­ber­haft aus«, sag­te ich zu
Na­ta­scha. »Ich kom­me mir vor wie an ei­nem Ba­de­strand der Zu­kunft mit ei­nem Mars­mäd­chen.
Warum er­fin­det die Mo­de nicht Klei­der, die eben­so am Kör­per kle­ben wie deins?«
    »Sie hat sie schon er­fun­den«, er­wi­der­te
sie. »Du hast sie nur noch nicht ge­se­hen. War­te, bis du in die Ball­sä­le der
Café-So­cie­ty ge­rätst!«
    »Ich bin mit­ten drin«, sag­te ich und zerr­te
sie in einen dunklen Haus­ein­gang. Sie roch nach Re­gen, Wein und Knob­lauch.
    Der Re­gen hat­te völ­lig auf­ge­hört, als ich
sie nach Hau­se brach­te. Ich ging die gan­ze Stre­cke zu­rück zu Fuß. Al­le
Au­gen­bli­cke hiel­ten Ta­xis, um mich ein­stei­gen zu las­sen. Noch vor ei­ner Stun­de
wa­ren sie nir­gend­wo zu fin­den ge­we­sen. Ich at­me­te die küh­le Luft, als wä­re sie
Wein, und dach­te über den Tag nach. Ich spür­te ir­gend­wo ei­ne Ge­fahr, aber nicht
ei­ne, die mir droh­te, son­dern ei­ne, die in mir war. Es war mir, als hät­te ich
ei­ne ge­heim­nis­vol­le Gren­ze über­schrit­ten, oh­ne es ge­merkt zu ha­ben, und als
wä­re ich in ein Ge­biet ge­ra­ten, das von Kräf­ten be­herrscht wur­de, die ich nicht
kon­trol­lie­ren konn­te. Es gab noch kaum einen Grund für Alarm, aber ich selbst
hat­te mich wie­der ein­ge­schal­tet in ein Netz­werk, in dem an­de­re Wer­te gal­ten als
die, die vor­her für mich maß­ge­bend ge­we­sen wa­ren. Vie­les, das mir noch vor
kur­z­em egal ge­we­sen wä­re, war es nun nicht mehr. Ich war vor­her ein Au­ßen­sei­ter
ge­we­sen, jetzt war ich es nicht mehr ganz. Was ist mit mir ge­sche­hen? dach­te
ich. Ich bin doch nicht ver­liebt! Aber ich wuß­te, daß der Au­ßen­sei­ter sich auch
ver­lie­ben konn­te, oh­ne ein sehr ge­eig­ne­tes Ob­jekt zur Lie­be zu fin­den, nur weil
er die Lie­be selbst so not­wen­dig brauch­te, daß es nicht so wich­tig war, auf wen
sie fiel. Und ich wuß­te auch, daß da die Ge­fahr lag, plötz­lich ge­fan­gen zu
wer­den und al­le Über­sicht zu ver­lie­ren.

XIX.
    B et­ty soll mor­gen ope­riert
wer­den«, sag­te Kahn am Te­le­fon. »Sie hat große Angst. Wol­len Sie sie nicht
be­su­chen?«
    »Selbst­ver­ständ­lich. Was hat sie?«
    »Man weiß es nicht ge­nau. Grä­fen­heim und
Ra­vic ha­ben sie un­ter­sucht. Die Ope­ra­ti­on wird zei­gen, ob die Ge­schwulst
gut­ar­tig ist oder nicht.«
    »Mein Gott!« sag­te ich.
    »Ra­vic wird auf sie acht­ge­ben. Er ist
As­sis­tent im Mount-Si­nai-Hos­pi­tal ge­wor­den.«
    »Wird er ope­rie­ren?«
    »Er wird da­bei sein. Ich weiß nicht, ob er
schon selb­stän­dig ope­rie­ren darf.

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