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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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nie­mals ganz ernst. Aber wenn man einen sol­chen
Knall­a­ri­er wie Sie da­bei hat, das ist et­was ganz an­de­res. Ich neh­me an, daß es
Hirsch ganz hübsch er­schreckt hat.«
    Ich er­in­ner­te mich dar­an, daß ich vor
kur­z­em, oh­ne daß ich es woll­te, Deutsch­land ge­gen Fra­ser in Schutz neh­men
muß­te, jetzt wur­de ich wie ein Na­zi als Schreck­mit­tel ver­wen­det. Es war
son­der­bar, in was für Si­tua­tio­nen man ge­ra­ten konn­te. Ich wuß­te, daß ich nicht
viel Sinn für Hu­mor hat­te, für sol­che An­ge­le­gen­hei­ten hat­te ich aber wirk­lich
gar kei­nen. Ich kam mir plötz­lich vor, als hät­te man mir einen Piss­pott über
den Kopf ge­gos­sen.
    Kahn merk­te nichts. Er schritt fe­dernd
durch die glä­ser­ne Brü­he des Mit­tags, wie ein Jä­ger, der Wild ge­sich­tet hat.
»End­lich ei­ne Un­ter­bre­chung der Lan­ge­wei­le«, sag­te er. »Es war ja schon zum
Aus­wach­sen! Ich bin die­se Si­cher­heit nicht ge­wöhnt. Viel­leicht bin ich auch für
im­mer da­für ver­dor­ben.«
    »Warum mel­den Sie sich nicht in den Krieg?«
frag­te ich tro­cken.
    »Ha­be ich ge­tan. Sie wis­sen doch, daß man
uns nicht nimmt. Wir sind ›Feind­li­che Aus­län­der‹. Schau­en Sie sich Ih­ren
Aus­weis an!«
    »Ich ha­be kei­nen. Ich bin noch ei­ne Stu­fe
dar­un­ter. Aber bei Ih­nen ist das doch an­ders. Si­cher weiß man in Wa­shing­ton,
was Sie in Frank­reich ge­tan ha­ben.«
    »Man weiß es, und des­halb traut man mir
noch we­ni­ger. Man ver­mu­tet Dop­pel­spiel. Wer so fre­che Sa­chen ver­üben konn­te,
muß­te auch be­son­de­re Be­zie­hun­gen ha­ben, denkt man in den Bü­ros. Ich wä­re nicht
über­rascht, wenn man mich noch ein­sperr­te. Wir le­ben in ei­ner Spie­ge­lexis­tenz
von Iro­ni­en.« Kahn lach­te. »Lei­der sind Iro­ni­en et­was für Schrift­stel­ler, nicht
für Leu­te wie mich.«
    »Hat­ten Sie Un­ter­schrif­ten von Emi­gran­ten
ge­gen Hirsch?«
    »Nein. Na­tür­lich nicht. Des­halb ha­be ich ja
auch nur tau­send Dol­lar ver­langt statt den gan­zen Be­trag. Hirsch kann so
glau­ben, noch gut weg­ge­kom­men zu sein.«
    »Sie mei­nen, er kann so glau­ben, daß er ein
Ge­schäft ge­macht hat?«
    Kahn sah mich an. »Ja, mein ar­mer Ross«,
sag­te er mit­lei­dig. »So ist die Welt nun ein­mal.«
    ***
    »Ich woll­te, wir könn­ten
ir­gend­wo­hin fah­ren, wo es still ist«, sag­te ich zu Na­ta­scha. »In ir­gend­ein
eu­ro­päi­sches Dorf oder an einen See. Ir­gend­wo­hin, wo man nicht so­fort
schwitzt.«
    »Ich ha­be kei­nen Wa­gen. Soll ich Fra­ser
an­ru­fen?«
    »Auf kei­nen Fall!«
    »Er braucht nicht mit­zu­fah­ren. Er kann uns
sei­nen Wa­gen lei­hen.«
    »Auch das nicht. Lie­ber die U-Bahn oder
einen Om­ni­bus!« – »Wo­hin?«
    »Ja, wo­hin? Die­se Stadt scheint im Som­mer
dop­pelt so vie­le Men­schen zu ha­ben als sonst!«
    »Und es ist über­all heiß. Ar­mer Ross!«
    Ich wand­te mich ihr ir­ri­tiert zu. Es war
das zwei­te­mal, daß ich heu­te ar­mer Ross ge­nannt wur­de. »Kann man nicht zu den
Clois­ters fah­ren? Dort sind die Ein­horn­tep­pi­che. Ich ha­be sie noch nie ge­se­hen.
Du?«
    »Ja. Aber die Mu­se­en sind abends
ge­schlos­sen. Auch für Emi­gran­ten.«
    »Ich ha­be manch­mal wirk­lich ge­nug da­von,
ein Emi­grant zu sein«, sag­te ich noch ir­ri­tier­ter. »Ich war den gan­zen Tag
Emi­grant. Erst mit Sil­vers und dann mit Kahn. Wie wä­re es, wenn wir ein­fa­che
Men­schen wä­ren?«
    Sie lach­te. »So­bald man über die Sor­ge für
Es­sen und Un­ter­kunft hin­aus ist, ist man kein ein­fa­cher Mensch mehr, mein
lie­ber Wai­den, Rous­seau und Tho­reau. Schon bei der Lie­be fan­gen die
Ka­ta­stro­phen an.«
    »Nicht, wenn man sie nimmt wie wir.«
    »Wie neh­men wir Sie?«
    »Ge­ne­rell. Nicht in­di­vi­du­ell.«
    »Gu­ter Gott«, sag­te Na­ta­scha.
    »So wie das Meer. Nicht wie ei­ne ein­zel­ne
Wel­le. Das meinst du doch, oder nicht?«
    »Ich?« frag­te Na­ta­scha er­staunt.
    »Ja, du. Mit dei­nen vie­len Freun­den.«
    »Glaubst du, daß ein Wod­ka mich tö­ten
wür­de?« frag­te sie nach ei­nem Au­gen­blick.
    »Das glau­be ich nicht. Nicht ein­mal in der
al­ten Bu­de hier.«
    Oh­ne Grund er­bit­tert hol­te ich die Fla­sche
und zwei Glä­ser von Me­li­kow, der

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