Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
Vom Netzwerk:
silb­ri­gen Licht des pras­seln­den Re­gens,
der den As­phalt in einen auf­schäu­men­den, fla­chen, dunklen See ver­wan­del­te, auf
den durch­sich­ti­ge Lan­zen und Pfei­le her­nie­der­pras­sel­ten.
    »Mein Gott!« sag­te Na­ta­scha plötz­lich. »Du
hast ja dei­nen neu­en An­zug an!«
    »Zu spät!« er­wi­der­te ich.
    »Ich ha­be nur an mich ge­dacht! Ich ha­be
nichts an.« Sie hob ihr Kleid bis zur Hüf­te. Sie trug ein klei­nes wei­ßes
Hös­chen und kei­ne Strümp­fe, und ih­re Schu­he wa­ren hoch­ha­cki­ge wei­ße
Lacksan­da­len, um die der Re­gen sprüh­te. »Aber du! Dein noch un­be­zahl­ter blau­er
An­zug!«
    »Zu spät!« er­wi­der­te ich. »Au­ßer­dem kann
ich ihn trock­nen und plät­ten. Er ist üb­ri­gens be­zahlt. Wir kön­nen al­so wei­ter
den Ele­men­ten pa­nisch zu­ju­beln! Zum Teu­fel mit dem blau­en An­zug des Bür­gers!
Laß uns im Brun­nen vor dem Pla­za-Ho­tel ba­den.«
    Sie lach­te und riß mich in einen
Haus­ein­gang. »So ret­ten wir das Fut­ter und das Roß­haar! Die kann man nicht
auf­bü­geln. Ge­wit­ter kom­men öf­ter als An­zü­ge. Und pa­nisch kann man sich auch in
ei­nem ge­schütz­ten Haus­ein­gang füh­len. Wie das blitzt! Und wie kühl es ge­wor­den
ist! Das macht der Wind!«
    Wie prak­tisch sie war, oh­ne das hin­rei­ßen­de
Ge­fühl zu ver­lie­ren, dach­te ich und küß­te ihr war­mes, klei­nes Ge­sicht. Wir
stan­den zwi­schen den Schau­fens­tern von zwei Ge­schäf­ten. Auf der einen Sei­te
wa­ren Kor­setts für äl­te­re, fül­li­ge Da­men aus­ge­stellt, über die die Blit­ze
zuck­ten; auf der an­de­ren be­fand sich ein Aqua­ri­en­ge­schäft mit ei­ner
Tier­hand­lung. Ei­ne gan­ze Wand stand voll mit Re­ga­len be­leuch­te­ter Aqua­ri­en mit
ih­rem grü­nen, sei­di­gen Licht und den bun­ten Fi­schen. Ich hat­te selbst in mei­ner
Ju­gend Fi­sche ge­züch­tet und er­kann­te ei­ni­ge wie­der. Es war ein son­der­ba­res
Ge­fühl, so über­ra­schend ein Stück Kind­heit vor mir auf­schim­mern zu se­hen, still
und wie aus ei­ner Welt jen­seits al­ler Ho­ri­zon­te, die ich noch kann­te, laut­los
auf­ge­taucht, um­lo­dert von Blit­zen und völ­lig un­be­rührt von ih­nen, so ge­blie­ben,
wie es war, durch ei­ne sanf­te Ma­gie, nicht ge­al­tert, nicht ver­schmiert mit Blut
und un­zer­stört. Ich hielt Na­ta­scha im Arm und spür­te ih­re Wär­me, und
gleich­zei­tig war ein Teil von mir weit ent­fernt über einen ver­ges­se­nen Brun­nen
ge­beugt, der längst nicht mehr rausch­te, und horch­te auf ei­ne Ver­gan­gen­heit,
die mir fremd ge­wor­den und des­halb um so hin­rei­ßen­der war. Ta­ge an Bä­chen, in
Wäl­dern, an ei­nem klei­nen See, über dem Li­bel­len zit­ternd im Fluge in­ne­hiel­ten.
Aben­de in Gär­ten, über de­ren Mau­ern der Flie­der hing, das al­les weh­te laut­los
wie ein ei­li­ger stum­mer Film vor­über.
    »Was wür­dest du sa­gen, wenn ich einen
sol­chen Hin­tern hät­te?« frag­te Na­ta­scha. Ich dreh­te mich um. Sie sah nach der
an­de­ren Sei­te in das Kor­sett­ge­schäft. Dort war ein Pan­zer für ei­ne Wal­kü­re über
ei­ne schwar­ze Pro­bier­pup­pe ge­spannt, wie sie Schnei­de­rin­nen brau­chen. »Du hast
einen herr­li­chen Hin­tern«, sag­te ich. »Und du brauchst nie ein Kor­sett, wenn du
auch kei­ne so ma­ge­re Gi­raf­fe bist, wie sie jetzt her­um­lau­fen.«
    »Gut. Es hat auf­ge­hört zu reg­nen. Nur noch
ein paar Trop­fen. Laß uns hier weg­ge­hen.« Es ist de­pri­mie­rend, zu se­hen, was
ich ein­mal ge­we­sen bin, dach­te ich und streif­te die Aqua­ri­en mit ei­nem letz­ten
Blick. »Sieh nur, die Af­fen!« sag­te Na­ta­scha und deu­te­te in den Hin­ter­grund des
La­dens. In ei­nem großen Kä­fig mit ei­nem Baum­stamm dar­in turn­ten dort zwei
auf­ge­reg­te Af­fen mit lan­gen Schwän­zen.
    »Das sind ech­te Emi­gran­ten! Im Kä­fig! So
weit seid ihr noch nicht ge­kom­men.«
    »Nein?« sag­te ich.
    Na­ta­scha sah mich an. »Ich weiß ja nichts
von dir«, er­wi­der­te sie. »Ich will auch gar nichts wis­sen. Ich fin­de es
lang­wei­lig, sich ge­gen­sei­tig sei­ne Pro­ble­me und sei­ne Le­bens­ge­schich­te
vor­zu­be­ten. Wie bald fängt man da an zu gäh­nen.« Sie schau­te noch ein­mal auf
das

Weitere Kostenlose Bücher