E.M. Remarque
Zweite Avenue«, sagte ich zum
Taxichauffeur. »Nicht zur 62.« – »Wie Sie wollen, Chef. Schöne Nacht,
wie?«
»Heiß.«
Ich hielt bei den Stern Brothers. Das
Delikatessengeschäft war noch offen. Ein paar Homos wählten sich genießerisch
kalten Aufschnitt als Abendessen aus. Ich rief Natascha an. Sie erwartete mich
erst in zwei bis drei Stunden. Ich zog deshalb vor, sie anzurufen, bevor ich zu
ihrer Wohnung ging. Der Tag war überraschend gewesen, und ich wollte weitere
Überraschungen verhüten.
Sie war zu Hause. »Wo bist du?« fragte sie.
»Hast du Atempause bei den Sammlern?«
»Nicht bei den Sammlern und nicht bei Mrs.
Whymper. Im Laden der Brüder Stern, zwischen Krafft-Käse und Salami.«
»Bring ein halbes Pfund Salami und dunkles
Brot.«
»Butter auch?«
»Butter haben wir. Aber Edamer können wir
brauchen.«
Ich war plötzlich sehr glücklich. Drei
Pudel tummelten sich im Laden, als ich aus dem Telefonkasten heraustrat. Ich
erkannte René und seinen Herrn, den rothaarigen Jasper. Jasper begrüßte mich
mit der schlenkrigen Leichtigkeit, die Tucken oft haben. »Wie geht's,
Fremdling? Lange nicht gesehen!«
Ich ließ mir die Salami, den Käse und einen
Schokoladenkuchen in einer runden Aluminiumfolie geben. »Nun?« fragte Jasper.
»Einkäufe für ein spätes Abendessen?«
Ich sah ihn schweigend an. Zu seinem Glück
hat er nicht gefragt, ob es für ein Abendessen mit meiner Freundin sei, ich
hätte ihm sonst den Schokoladenkuchen mit dem Aluminium wie eine Krone auf die
roten Locken gesetzt.
Er fragte nicht. Er folgte mir aber auf die
Straße. »Auch ein bißchen bummeln?« fragte er und fiel in meinen Schritt. Ich
sah mich um. Die Zweite Avenue war sehr belebt. Es mußte die Stunde der
Abendpromenade sein, die Straße wimmelte förmlich von Tücken, mit und ohne
Pudel. Auch eine Anzahl von Zwergdachshunden war dabei, von denen viele unter
dem Arm getragen wurden. Die Atmosphäre war festlich. Man begrüßte sich, rief
sich Witze zu, ließ die Hunde am Rande des Trottoirs ihre Bedürfnisse
verrichten, beobachtete sich und warf sich Blicke zu. Ich merkte, daß ich
Aufmerksamkeit erregte. Jasper schritt stolz winkend neben mir dahin, als hätte
er mich bereits gekauft. Ich wurde diskutiert als seine neueste Eroberung. Mir
wurde der Kragen eng. Ich drehte mich brüsk um. »Warum haben Sie es so eilig?«
fragte Jasper.
»Ich gehe jeden Morgen in die Kirche
kommunizieren und muß mich vorbereiten. Guten Tag!«
Jasper hatte einen Augenblick keine Worte.
Dann schallte sein Lachen hinter mir her, ein Lachen, das mich schlagartig an
Mrs. Whymper erinnerte. Ich blieb am Zeitungskiosk stehen und kaufte das
Journal und die News. »Der Auftrieb ist heute abend nicht schlecht, wie?«
fragte Nick und spuckte aus. – »Ist das immer so?«
»Jeden Abend. Die rosa Promenade. Wenn das
so weitergeht, gibt es in Amerika Geburtenrückgang.«
Ich fuhr zu Nataschas Wohnung hinauf. In
unserem Verhältnis hatte sich etwas geändert, seit sie dort wohnte. Früher
hatten wir uns gelegentlich getroffen, jetzt war ich jeden Abend bei ihr.
»Ich muß ein Bad nehmen«, sagte ich. »Ich
bete dich an, aber ich muß ein Bad nehmen. Ich komme mir ziemlich beschmiert
vor.«
»Immer los! Man soll Leute nie vom Baden
abhalten! Willst du auch Badeöl haben? Nelken von Mary Chess?«
»Lieber nicht.« Ich dachte an Jasper und
was geschehen würde, wenn ich ihm im Aufzug begegnete und nach Nelken röche.
»Wie kommt es, daß du so früh wieder hier
bist?«
»Ich habe Mrs. Whymper nach Hause gebracht.
Silvers hatte sie eingeladen, ohne daß ich etwas davon wußte.«
»Und sie hat dich so rasch wieder laufen
lassen? Bravo!«
Ich richtete mich in dem heißen Wasser halb
auf. »Sie wollte mich nicht laufen lassen. Woher weißt du,
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