E.M. Remarque
daß das nicht
einfach ist?«
Sie lachte. »Jeder weiß das.«
»Wer ist jeder?«
»Jeder, der sie kennt. Sie fühlt sich
einsam, interessiert sich nicht für Männer ihres Alters, trinkt gerne Martinis
und ist harmlos. Armer Robert! Hast du dich gefürchtet?«
Ich ergriff sie an ihrem bunten Batikkleid,
um sie in die Badewanne zu ziehen. Sie schrie auf. »Laß mich los! Das ist ein
Modellkleid, es gehört mir nicht!«
Ich ließ sie los. »Was gehört uns
eigentlich? Die Wohnung nicht, die Kleider nicht, der Schmuck nicht ...«
»Wunderbar, wie? Überhaupt keine
Verantwortung! War es nicht das, was du wolltest?«
»Ich habe heute einen schlechten Tag«,
sagte ich. »Hab' Erbarmen.«
Sie stand auf. »Und du willst mir Vorwürfe
wegen Elisa Whymper machen. Du mit deinem berühmten Pakt.«
»Was für einem Pakt?«
»Daß wir uns nicht weh tun wollen. Daß wir
zusammen sind, um uns gegenseitig zu helfen, von alten Geschichten loszukommen!
Gott, wie du das alles erklärt hast! Zitternd wie Schafe nach einem Gewitter
sind wir in eine moderierte Liebe geflohen, um die Wunden zu heilen, die andere
uns geschlagen haben!«
Sie tanzte im Badezimmer umher. Ich sah sie
überrascht an. Woher hatte sie nur auf einmal all diese halb vergessenen,
blödsinnigen Gespräche, mit denen etwas Emotionelles immer beginnt? Ich war
überzeugt, daß ich das nicht so gesagt hatte, so dumm konnte ich nicht gewesen
sein. Es war eher ihre eigene Reaktion – und wahrscheinlich der Grund,
weshalb sie mit mir angefangen hatte. Ich begann sehr schnell zu denken: Ich
wußte, daß es teilweise stimmte; auch wenn ich es nicht zugeben wollte. Was
mich überraschte, war nur, daß sie es so genau wußte.
»Gib mir noch einen Wodka«, sagte ich
vorsichtig und beschloß, zum Angriff überzugehen. Es war, wenn man ein
schlechtes Gewissen hatte, das einfachste.
»Was wir uns so vorgeschwindelt haben,
wie?« fragte sie.
»Tut das nicht jeder?« sagte ich,
glücklich, einen Ausweg zu sehen.
»Das weiß ich nicht. Ich vergesse es immer
wieder.«
»Immer wieder? Passiert es so oft?«
»Auch das weiß ich nicht mehr. Man ist doch
keine Rechenmaschine. Du vielleicht, ich nicht.«
»Ich liege in der Badewanne, Natascha. Das
ist eine unglückliche Position. Laß uns Frieden schließen.«
»Frieden«, erwiderte sie spöttisch. »Wer
will schon Frieden?«
Ich griff nach einem Badetuch und stand
auf. Hätte ich gewußt, was mir passieren würde, hätte ich die Badewanne
gemieden wie die Cholera. Natascha hatte sich in eine gefährliche Mischung von
Scherz und Ernst hineingesteigert, ich merkte das an ihren Augen, ihren raschen
Bewegungen und ihrer mit einemmal helleren Stimme. Ich mußte aufpassen. Vor
allem, weil sie recht hatte. Ich hatte gedacht, in der Offensive zu sein mit
Mrs. Whymper, und nun spürte ich plötzlich, daß sich alles gedreht hatte.
»Das ist ein herrliches Kleid«, sagte ich.
»Und ich wollte dich damit in die Badewanne werfen!«
»Warum hast du es nicht getan?«
»Das Wasser war zu heiß und die Wanne zu
eng.«
»Warum ziehst du dich wieder an?« fragte
Natascha.
»Es ist mir hier zu kalt.«
»Wir können die Luftzufuhr abstellen.«
»Es geht schon. Sonst wird es dir zu heiß.«
Sie sah mich argwöhnisch an. »Willst du
ausreißen, du Feigling?« fragte sie.
»Wozu? Ich werde doch Salami und Edamer
nicht im Stich lassen.«
Sie wurde überraschend wütend. »Geh zum
Teufel!« schrie sie. »Verschwinde in deinem verdammten Hotelloch! Dahin gehörst
du!«
Sie bebte vor Zorn. Ich hob eine Hand, um
Aschenbecher abzufangen, wenn sie werfen sollte. Ich war sicher, daß sie
erstklassig treffen würde. Sie sah großartig aus. Wut verzerrte sie nicht, sie
machte sie noch schöner. Sie bebte nicht nur vor Zorn, sie bebte vor Leben. Ich
wollte sie nehmen, aber
Weitere Kostenlose Bücher