E.M. Remarque
war eigentlich schlimmer.«
»Sie verlangte sicherlich Geld. So etwas
ist immer deprimierend für Leute, die gewohnt sind, ihrer selbst wegen geliebt
zu werden«, sagte ich boshaft. »Hundert Dollar.«
»Schlimmer.«
»Tausend. Das ist allerdings eine
Frechheit.«
Silvers winkte ab. »Sie verlangte etwas,
aber das war es nicht.« Er erhob sich von seinem hellblauen Sofa und imitierte,
zähnefletschend, den Bart gesträubt, mit hoher Kinderstimme: »Was schenkst du
mir denn, wenn ich ins Bettchen klettere ...« und dann explodierend:
»Daddy!«
Ich hatte seiner Vorstellung bewundernd
gelauscht, sie war durch das gleichzeitige Zähnefletschen akrobatisch. »Daddy«,
sagte ich. »Also wie wir in Europa Papa sagen. Ein schwerer Schlag, wenn man
über fünfzig ist. Aber das bedeutet hier nicht viel. Man nennt hier
Dreißigjährige aus Zuneigung Daddy, so wie man neunzigjährige Greisinnen
Darling und Girl nennt. Amerika betet als junges Land die Jugend an.«
Silvers hatte mir zugehört wie ein Mann mit
einem Bauchschuß, der nach Wasser ruft. Jetzt schüttelte er den Kopf. »Leider
war es anders. Ich könnte mich ohrfeigen, daß ich den Schnabel nicht gehalten
habe, aber wann schweigt ein Händler schon? In meiner Verstörtheit fragte ich,
was sie meine. Verstehen Sie, ich wollte selbstverständlich zahlen, reichlich
sogar, ich bin bekannt dafür, ich war nur verstört über das Wort Daddy. Es
klang für mich wie Großvater. Sie aber glaubte, ich wollte Schwierigkeiten
machen wegen des Geldes, und sie erklärte mir mit einer blechernen
Puppenstimme, wenn sie mit einem so alten Mann in die Heia ginge – das war
ihr Ausdruck –, müsse doch natürlich auch etwas herausspringen. Sie habe
bei Bullocks Wilshire einen echten Kamelhaarmantel gesehen, und es werde
doch ...«
Silvers' Stimme versagte.
»Was haben Sie getan?« fragte ich
interessiert. Der Ausdruck ›blecherne Puppenstimme‹ hatte mir gefallen.
»Was ein Gentleman in einer solchen
Situation tut! Bezahlt und rausgeschmissen.«
»Den vollen Preis?«
»Was mir in die Hand kam.«
»Schmerzlich, aber verständlich.«
»Sie verstehen mich überhaupt nicht«, sagte
Silvers gereizt. »Es ist der psychologische Schock, nicht der finanzielle. Der
Schock, von einer kleinen Hure als alter Bock bezeichnet zu werden. Aber wie
könnten Sie das auch verstehen? Sie sind eine der gefühllosesten Kreaturen, die
ich kenne.«
»Das stimmt. Es gibt außerdem Dinge, die
nur Gleichaltrige verstehen – zum Beispiel das Alter. Und je älter man
wird, um so größer sollen da die Unterschiede werden. Achtzigjährige halten die
Achtundsiebzigjährigen für Grünschnäbel und Lausebengels. Ein sonderbares
Phänomen!«
»Ein sonderbares Phänomen! Ist das alles,
was Sie dazu zu sagen haben?«
»Natürlich«, erklärte ich behutsam. »Sie
erwarten doch nicht, daß ich diesen Unsinn ernst nehme, Herr Silvers.«
Er wollte auffahren, dann glomm der Funke
Hoffnung in seinen Kunsthändleraugen auf, so, als hätte Professor Max
Friedländer einen zweifelhaften Pieter de Hooch in seinem Besitz für echt
erklärt.
»Lächerlich für einen Mann wie Sie«, fuhr
ich fort.
Er überlegte das. »Aber was passiert, wenn
es mir beim nächstenmal wieder einfällt? Impotenz wäre die natürliche Folge.
Schon dieses Mal war mir, als hätte man mir einen Kübel Eiswasser ...«
Er stockte. »... über den Kopf
geschüttet«, ergänzte ich.
»Über das Glied geschüttet«, ergänzte er
verschämt. »Was soll man machen, mit dieser Furcht im Nacken?«
»Da gibt es zwei Schulen«, sagte ich nach
einer Weile. »Die eine ist: sich besaufen und dann wie ein Husar drauf
los – sie hat nur den Nachteil daß viele Leute durch das Saufen selbst
schon für die Zeit bis zum Kater
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