E.M. Remarque
sondern meinem
Kunden Holt. Ich bin dafür, daß Sie Holt die Sache als großes Entgegenkommen
darstellen, und bin sicher, daß er dankbar weiter kaufen wird. Ich möchte nur
selbst nicht zur Dankbarkeit gezwungen werden, wo es doch eher an Ihnen läge,
dankbar zu sein. Es ist hübsch, daß Sie mir beigebracht haben, das schönste
Ziel eines tüchtigen Händlers bestehe darin, dem Kunden nicht nur das Fell
abzuziehen, sondern ihn dafür auch noch dankbar zu stimmen. Sie sind ein großer
Meister darin, aber verschonen Sie mich damit.«
Silvers' Gesicht wirkte auf einmal etwas
zerknittert. Von einer Sekunde zur anderen wirkte er zwanzig Jahre älter. »So«,
sagte er leise, »ich soll Sie verschonen. Und was habe ich vom Leben? Sie
feiern Cocktailpartys für mein Geld, Sie sind fünfundzwanzig Jahre jünger als
ich, ich hocke hier in diesem Hotel und warte auf Kunden wie eine alte Spinne.
Ich erziehe Sie wie einen Sohn, und Sie werden schon ärgerlich, wenn ich meine
müden Klauen an Ihnen schärfe! Soll ich denn überhaupt keinen Spaß mehr haben?«
Ich sah ihn scharf an. Ich kannte seinen
Trick mit dem Sterben, dem Kranksein und der Tatsache, daß niemand auch nur das
kleinste Bild mit ins Jenseits nehmen könne. Da sei es dann doch besser, an
sympathische Kunden hier auf Erden zu verkaufen, selbst unter Verlust, solange
man noch da sei – es sei ja nicht mehr lange. Ich selbst hatte die
Medizinflaschen arrangiert, als sich Silvers müde und blaß, von seiner treuen
Frau vorsichtig bleich geschminkt, im blauen Schlafrock ins Bett legte, um
einen scheußlichen Schinken, einen riesigen toten Jockey mit seinem Pferd, ›mit
Verlust‹ an einen Ölmillionär aus Texas zu verkaufen. Ich war darauf gekommen,
Silvers' gewohnten roten Schlafrock gegen einen blauen auszutauschen, weil in
Blau die Krankenblässe noch stärker hervortrat. Ich hatte die Verhandlungen
zweimal mit Medizin unterbrochen, die Silvers einnehmen mußte und die aus Wodka
bestand – auch das eine Nuance von mir, statt Whisky, wie Silvers geplant
hatte, Wodka zu reichen – Wodka roch nicht, aber Whisky war für gute
Texanernasen schon zwanzig Meter weit zu schnuppern. Silvers hatte mir
schließlich mit ersterbender Stimme den Kaufvertrag diktiert, an dem er
zwanzigtausend Dollar verdiente. Ich hatte, als ich die Summe hörte, die
üblichen weiten Augen stummen Protestes bekommen und dann ergeben leicht den
Kopf geschüttelt. Ich kannte alle diese Tricks von Silvers, in denen er
unerschöpflich war und die er sein ›künstlerisches Dampfablassen‹ nannte, aber
diese neue verdrießliche Note kannte ich noch nicht, auch nicht das echte
Zeichen von Erschöpfung in seinem Gesicht.
»Bekommt Ihnen das Klima nicht?« fragte
ich.
»Klima! Ich komme vor Langeweile um!
Stellen Sie sich vor«, sagte er, »aus Langeweile lade ich so ein Mädchen, das
ich am Swimming-pool kennen gelernt habe – übrigens ein blondes, hübsches,
nichts sagendes Ding von neunzehn Jahren, man muß hier mit dem Alter ja sehr
vorsichtig sein, die Küken behaupten, sie seien keine Minderjährigen mehr, und
vor der Tür lauert schon die Mutter, um einen zu erpressen –, also ich
lade sie ein, mit mir zu essen, und sie kommt. Wir nehmen etwas Champagner,
Shrimps mit Thousand-Islands-Sauce, Sirloinsteak, alles in der hübschen Küche
mit Eßzimmer hier oben serviert. Wir werden fröhlich, ich vergesse mein
trostloses Leben, wir gehen ins Schlafzimmer, und was passiert?«
»Sie schreit aus dem Fenster heraus, sie
werde vergewaltigt. Polizei, Polizei!«
Silvers überlegte einen Augenblick
erstaunt. »Kommt das vor?«
»Mein Nachbar Scott hat mir erklärt, es sei
hier einer der einfachsten Tricks, zu Geld zu kommen.«
»So, so! Nein, das war es nicht. Leider
nicht. Es
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