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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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im­po­tent wer­den, ein dop­pel­tes Wag­nis al­so. Die
zwei­te ist die al­te Renn­fahrer­tak­tik nach ei­nem Un­fall – so­fort auf einen
an­de­ren Wa­gen und wei­ter­fah­ren, so daß kein Schock auf­kommt.«
    »Ich ha­be schon einen Schock ge­habt!«
    »Das bil­den Sie sich ein, Herr Sil­vers.
Ih­re Phan­ta­sie hat nur mit dem Ge­dan­ken ei­nes viel­leicht mög­li­chen Schocks
ge­spielt, das ist al­les.«
    Et­was wie Dank­bar­keit um­flat­ter­te sei­nen
Bart. »Mei­nen Sie?« – »Ganz be­stimmt.«
    Er er­hol­te sich sicht­lich. »Son­der­bar«,
mein­te er nach ei­ner Wei­le, »wie plötz­lich al­les ge­gen­stands­los wer­den kann,
Er­folg, Stel­lung, Geld, vor so ei­nem ein­fa­chen, dum­men Wort ei­nes klei­nen
Mäd­chens! Als wä­re die gan­ze Welt im ge­hei­men kom­mu­nis­tisch.«
    »Was?«
    »Ich mei­ne, als wä­ren im letz­ten Sin­ne al­le
Men­schen gleich – kei­ner ent­kommt.«
    »Ach, so mei­nen Sie das!« sag­te ich. »Die
Zeit ist kom­mu­nis­tisch; sie fragt nicht nach Geld und Stel­lung, son­dern ad­diert
ein­fach je­den Tag einen Tag und je­des Jahr ein Jahr, ganz gleich, ob man ein
Hei­li­ger oder ein Schwei­ne­hund ist. Ein schö­ner Ge­dan­ke, Herr Sil­vers, wenn
auch nicht mehr ganz neu.«
    »Ganz neue Ge­dan­ken zu ha­ben ist für einen
An­ti­quar un­zu­läs­sig.« Sil­vers grins­te. Er war wie­der auf dem Pos­ten. »Ich neh­me
an, kein Mensch glaubt, daß er alt wird. Er weiß es, aber er glaubt es nicht.«
    »Glau­ben Sie es jetzt? Wie ist es mit
mei­ner Ent­las­sung?«
    »Wir kön­nen es las­sen, wie es war. Sie
brau­chen auch nur abends zur Ver­fü­gung sein.«
    »Zum Über­stun­den­ta­rif nach sie­ben Uhr.«
    »Für Ihr nor­ma­les Ge­halt. Nicht für
Über­stun­den! Sie ver­die­nen im Au­gen­blick mehr als ich.«
    »Ihr Schock ist vor­bei, Herr Sil­vers!
Voll­stän­dig!«

XXVI.
    I ch stu­dier­te das Ma­nu­skript
ei­ni­ge Stun­den lang. Ein Drit­tel der Si­tua­ti­on war un­mög­lich; vom Rest konn­te
man die Hälf­te ge­brau­chen. Ich mach­te Kor­rek­tu­ren bis ein Uhr nachts. Ein Teil
der Sze­nen war nach dem be­währ­ten Cow­boy- und Wild­west­sche­ma an­ge­fer­tigt
wor­den, nach dem vul­gärs­ten und grau­sams­ten, des­sen war ich si­cher. Aber sie
wirk­ten, ver­gli­chen mit dem, was in Deutsch­land wirk­lich pas­sier­te, wie
Zucker­zeug und harm­lo­ses Feu­er­werk ge­gen Flam­men­wer­fer und bü­ro­kra­ti­schen Mord.
Die tra­di­tio­nel­len Si­tua­tio­nen der Wild­west­fil­me, bei de­nen bei­de Geg­ner nur
zu­gleich nach der Waf­fe grei­fen dür­fen, um zu schie­ßen, wa­ren hier mo­der­ni­siert
zu ei­ner Art Gangs­ter-Mo­ral. Ich sah, daß selbst die ver­sier­ten Schrift­stel­ler
der Schre­ckens­fil­me nicht ge­nug Phan­ta­sie hat­ten für die tat­säch­li­chen Vor­gän­ge
im Drit­ten Reich. Son­der­ba­rer­wei­se de­pri­mier­te mich das nicht so sehr, wie ich
be­fürch­tet hat­te; die Sim­pli­zi­tät er­weck­te im Ge­gen­teil in mir einen Fun­ken
Gal­gen­hu­mor.
    Zum Glück hat­te Scott ei­ne der
Cock­tail­par­tys lau­fen, die kein En­de neh­men. Ich ging hin­un­ter zum
Swim­ming­pool, wo sie ge­ra­de statt­fand. »Fer­tig, Ro­bert?« frag­te Scott.
    »Ja, für heu­te. Jetzt brau­che ich et­was zu
trin­ken.«
    »Wir ha­ben ech­ten rus­si­schen Wod­ka und al­le
Ar­ten von Whis­ky.«
    »Whis­ky«, sag­te ich. »Ich möch­te mich nicht
be­trin­ken und noch nicht schla­fen ge­hen.«
    Ich streck­te mich auf ei­nem Lie­ge­stuhl aus
und stell­te das Glas ne­ben mir auf den Bo­den. Ich schloß die Au­gen und horch­te
auf die Mu­sik des klei­nen Ra­di­os, das je­mand mit­ge­bracht hat­te. Es war ei­ne
hüb­sche Me­lo­die, sie hieß ›Sun­ri­se Se­re­na­de‹. Ich öff­ne­te die Au­gen wie­der und
sah in den ka­li­for­ni­schen Him­mel. Einen Au­gen­blick hat­te ich das Ge­fühl zu
schwim­men, in ei­nem wei­chen, glä­ser­nen Meer oh­ne Ho­ri­zon­te und oh­ne Oben und
Un­ten. Dann hör­te ich die Stim­me Holts ne­ben mir. »Ist es schon acht Uhr
mor­gens?« frag­te ich.
    »Noch nicht. Ich bin nur rü­ber­ge­kom­men, um
zu se­hen, was Sie ma­chen«, sag­te er.
    »Ich trin­ke Whis­ky. Sonst noch Fra­gen?
Un­ser Kon­trakt fängt erst

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