E.M. Remarque
Angebot und seien Sie jetzt still.«
»Ein schriftliches Angebot? Sind wir denn
Nazis? Ich meine, mein Wort ...«
»Dieser Leichengeier«, sagte Tannenbaum
bitter. »Er hat Betty nie besucht, aber der armen Lissy möchte er die Wohnung
wegnehmen, bevor sie weiß, was sie wert ist!«
»Bleiben Sie hier?« fragte ich. »Oder haben
Sie noch in Hollywood zu tun?«
»Ich muß zurück. Eine kleine Rolle in einem
Cowboyfilm. Sehr interessant. Wissen Sie, daß Carmen geheiratet hat?«
»Was?«
»Vor einer Woche. Den Besitzer einer
Gärtnerei im San-Fernando-Tal. War sie nicht einmal mit Kahn zusammen?«
»Das weiß ich nicht. Ich glaube, nicht
richtig. Wissen Sie es bestimmt?«
»Ich war bei der Hochzeit. Zeuge für
Carmen. Der Mann ist groß, harmlos und mittelmäßig. War früher ein guter
Baseballspieler, heißt es. Sie züchten Salat und Blumen und haben eine
Hühnerfarm.«
»Hühner«, sagte ich, »ich verstehe.«
»Der Mann ist der Bruder der Wirtin, bei
der sie wohnte.«
Ich hatte mich gewundert, daß Kahn nicht
zur Trauerfeier gekommen war. Jetzt wußte ich, warum er weggeblieben war. Er
wollte idiotische Fragen vermeiden. Ich beschloß, ihn aufzusuchen. Es war
Mittag, und er hatte frei um diese Zeit.
Ich fand ihn mit Holzer und Frank. Holzer
war Schauspieler, Frank ein in Deutschland früher sehr bekannter
Schriftsteller.
»Wie war es bei Betty?« fragte Kahn. »Ich
hasse Leichenbegängnisse in Amerika, deshalb war ich nicht da. Hat der
unvermeidliche Rosenbaum am Sarg geredet?«
»Er war nicht aufzuhalten. In Deutsch und
sogar in sächsischem Englisch. In Englisch zum Glück kurz. Ihm fehlte die
Suada.«
»Dieser Mann ist die Nemesis der
Emigranten«, sagte Kahn zu Frank. »Er ist ein früherer Rechtsanwalt und darf
hier nicht praktizieren, dafür redet er, wo er nur kann. Am liebsten bei
Versammlungen. Kein Emigrant kommt ohne Rosenbaums salbungsvolle Worte ins
Krematorium. Er drängt sich überall ein, ungefragt. Er zweifelt nie daran, daß
man ihn dringend braucht. Wenn ich einmal sterben sollte, würde ich versuchen,
es auf hoher See zu tun, um ihm zu entgehen, aber er würde entweder als blinder
Passagier auftauchen oder von einem Helikopter herunterpredigen. Er ist
unvermeidlich.«
Ich sah Kahn an. Er war sehr beherrscht.
»Er kann an meinem Grabe predigen«, sagte Holzer düster. »In Wien, wenn es frei
wird. Am Grabe eines verhinderten, ältlichen jugendlichen Liebhabers mit einer
Glatze.«
»Für Glatzen gibt es Perücken«, sagte ich.
Holzer war 1932 das gewesen, was man ein
Matinee-Idol nennt. Ein natürlicher, frischer, talentierter jugendlicher
Liebhaber, der die seltenen Eigenschaften von Talent und glänzendem Aussehen
vereinigt hatte. Jetzt war er fünfzehn Pfund schwerer, hatte eine Glatze
bekommen, war selbst als Extra bei den englischen Theatern abgewiesen worden,
und seine Mißerfolge hatten ihn zu einem grämlichen Misanthropen gemacht.
»Ich kann mich meinem Publikum nicht mehr
zeigen«, erklärte er.
»Ihr Publikum ist auch zwölf Jahre älter
geworden«, sagte ich. Er wischte das beiseite: »Es hat mich aber nicht altern
sehen. Es ist nicht mit mir zusammen älter geworden. Es erinnert sich an mich
nur als den Holzer von 1932.«
»Sie sind komisch, Holzer«, sagte Frank.
»Das ist doch kein Problem. Sie wechseln hinüber ins Charakterfach, fertig.«
»Ich bin kein Charakterschauspieler. Ich
bin der ausgesprochene jugendliche Liebhaber.«
»Schön«, erwiderte Frank ungeduldig. »Dann
werden Sie ein Held, oder wie man das im Theaterjargon nennt. Meinetwegen ein
älterer Held. Auch Caesar hatte eine Glatze. Spielen Sie den König Lear!«
»Dafür bin ich nun doch nicht alt genug,
Herr Frank.«
»Mann!« sagte Frank. »Das ist
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