E.M. Remarque
Kaffee?« fragte ich.
»Ein großes Stück. Und schon vor dem
Kaffee. Der Winter macht gefräßig. Wenn Schnee auf den Straßen liegt, ist
Schokoladekuchen wie Medizin.«
Ich stand auf, holte die elektrische
Kochplatte aus ihrem Versteck im Koffer und setzte den Aluminiumkessel mit
Wasser auf. Dazu zündete ich mir eine White-Owl-Zigarre an, damit der Duft des
Kaffees nicht allzu stark auf den Korridor dringe. Es bestand keine Gefahr,
obschon Kochen im Zimmer verboten war, war ich vorsichtig. Es konnte sein, daß
der unsichtbare Besitzer des Hotels durch die Gänge schlich. Er hatte das nie
getan, gerade das aber machte mich vorsichtig. Dinge, die niemals geschehen
konnten, waren in meinem Leben zu oft passiert, das war eines der
ungeschriebenen Gesetze der Emigration.
Als ich den Kaffee aufgoß, klopfte es an
der Tür, leise und hartnäckig. »Versteck dich unter meinem Mantel«, sagte ich.
»Beine und Kopf auch. Ich will nachsehen, was los ist.«
Ich schloß auf und öffnete die Tür einen
Spalt. Draußen stand die Puertoricanerin. Sie legte einen Finger an die Lippen.
»Polizei«, flüsterte sie.
»Was?«
»Unten. Drei Mann. Achtung. Vielleicht
kommen sie herauf. Hotel durchsuchen. Vorsicht!«
»Was ist denn los?«
»Sind Sie allein? Keine Frau hier?«
»Nein«, sagte ich. »Ist die Polizei
deswegen hier?«
»Weiß nicht. Glaube wegen Melikow. Aber man
weiß nicht. Vielleicht durchsuchen. Frau mitnehmen, wenn finden.«
Ins Badezimmer, dachte ich rasch. Aber wenn
die Polizei eine Razzia macht und Natascha im Badezimmer fand, dann war das
noch belastender. In die Halle nach unten konnte sie nicht, wenn die Bullen
schon da waren. Verdammt, dachte ich, was tun?
Plötzlich stand Natascha neben mir. Wie sie
so rasch angezogen sein konnte, war fast ein Wunder. Sie hatte sogar ihre
kleine Kappe auf dem Haar und war kühl und ruhig. »Melikow«, sagte sie. »Sie
haben ihn geschnappt.«
Die Puertoricanerin machte Zeichen.
»Schnell! Sie zu mir in Zimmer, Pedro hier. Verstehen?«
»Ja.«
Natascha schaute sich rasch um. »Bis
später.« Sie folgte der Frau. Aus dem Schatten des Korridors tauchte Pedro, der
Mexikaner, auf. Er knöpfte seine Hosenträger auf und band seine Krawatte. »Buenas
tardes,
Señor. Besser so!«
Ich verstand. Wenn die Polizei kommen
sollte, war Pedro mein Gast, Natascha der der Puertoricanerin. Eine viel
einfachere Lösung als die dramatische der Angelsachen, durch Klosettfenster und
über vereiste Dächer zu fliehen. Eine lateinische Lösung.
»Setzen Sie sich, Pedro«, sagte ich. »Eine
Zigarre?«
»Danke. Lieber eine Zigarette. Vielen Dank,
Señor Roberto. Ich habe eigene.«
Er war nervös. »Papiere«, murmelte er.
»Schwierig. Vielleicht kommen sie nicht.«
»Haben Sie keine? Sie können sie vergessen
haben.«
»Schwierig. Haben Sie gute?«
»Ja. Ganz gut. Aber wer sieht gerne die
Polizei?« Ich war selbst sehr nervös. »Wollen Sie einen Wodka, Pedro?«
»Zu stark in dieser Situation. Besser, klar
zu sein. Aber einen Kaffee sehr gerne, Señor!«
Ich schenkte den Kaffee ein. Pedro trank
hastig. »Was ist mit Melikow?« fragte ich. »Wissen Sie etwas davon?«
Pedro schüttelte heftig den Kopf. Dann
legte er ihn auf die Seite, schloß ein Auge, hob die Hand und hielt sie an die
Nase, als schnupfe er etwas hinein. Ich begriff. »Glauben Sie das?«
Er hob die Schultern und öffnete die Hände.
Ich erinnerte mich an die Andeutungen Nataschas. Was konnte ich tun? »Nichts«,
antwortete Pedro, dessen Augen mir gefolgt waren. »Den Mund halten«, sagte
Pedro, während seine Hände flatterten. »Sonst wird es nur schlimmer für
Melikow.«
Ich packte die Kochplatte in den Koffer und
sah mich um, ob Natascha noch irgendwelche Spuren hinterlassen
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