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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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Ver­mö­gen! Wie­viel Gu­tes man da­mit hät­te
tun kön­nen!«
    »Im­mer noch bes­ser, als wenn die Na­zis sie
be­kom­men hät­ten«, sag­te Grä­fen­heim ent­schul­di­gend.
    Bet­ty sah ihn ent­rüs­tet an. »Ewig die­ses:
Im­mer noch bes­ser! Die­se al­te Emi­gran­ten-Re­si­gna­ti­on! Warum ver­fluchst du das
Le­ben nicht aus tiefs­tem Her­zens­grun­de?«
    »Was wür­de es nüt­zen, Bet­ty?«
    »Manch­mal wer­de ich selbst zum An­ti­se­mi­ten.
Im­mer die­ses Ver­ste­hen und schon halb Ver­zei­hen! Glaubt ihr, ein Na­zi wür­de
auch so han­deln? Er wür­de den Be­trü­ger tot­prü­geln!«
    Kahn sah Bet­ty, die mit ih­ren vio­let­ten
Rü­schen wie ein auf­ge­plus­ter­ter Pa­pa­gei wirk­te, be­lus­tigt und zärt­lich an. »Du
bist die letz­te Mak­ka­bäe­rin, mein Herz­chen!«
    »Lach nicht! Du we­nigs­tens hast es den
Bar­ba­ren ge­zeigt. Du soll­test mich ver­ste­hen. Ich könn­te manch­mal er­sti­cken.
Im­mer die­se De­mut! Die­ses Hin­neh­men!« Bet­ty blick­te mich zor­nig an. »Was sa­gen
Sie da­zu? Neh­men Sie auch al­les hin?«
    Ich ant­wor­te­te nicht. Was war da zu
ant­wor­ten? Bet­ty schüt­tel­te sich, lach­te über sich selbst und ging zu ei­ner
an­de­ren Grup­pe.
    Je­mand stell­te das Gram­mo­phon an. Man hör­te
die Stim­me Ri­chard Tau­bers. Er sang ein Lied aus dem ›Land des Lä­chelns‹.
»Jetzt be­ginnt das Heim­weh nach dem Kur­fürs­ten­damm«, sag­te Kahn. Er wand­te sich
an Grä­fen­heim. »Wo woh­nen Sie jetzt?«
    »In Phil­adel­phia. Ein Kol­le­ge hat mich dort
auf­ge­nom­men. Viel­leicht ken­nen Sie ihn: Ra­vic.«
    »Ra­vic? Aus Pa­ris? Na­tür­lich ken­ne ich ihn.
Ich wuß­te nicht, daß er her­aus­ge­kom­men ist. Was macht er?«
    »Das­sel­be wie ich. Er nimmt es nur
leich­ter. In Pa­ris war es un­mög­lich, ein Ex­amen zu ma­chen. Er be­trach­tet es als
einen Fort­schritt, daß es hier mög­lich ist. Für mich ist es schwer. Ich spre­che
lei­der nur die­se ei­ne ver­fluch­te Spra­che und au­ßer­dem Grie­chisch und La­tei­nisch
ziem­lich flüs­sig. Was tut man da­mit?«
    »Kön­nen Sie nicht war­ten, bis al­les vor­bei
ist? Deutsch­land kann den Krieg nicht ge­win­nen, das weiß jetzt je­der. Dann
kön­nen Sie zu­rück­ge­hen.«
    Grä­fen­heim schüt­tel­te lang­sam den Kopf.
»Das wird die letz­te Il­lu­si­on sein, die uns zer­bricht, daß wir zu­rück­ge­hen
kön­nen.«
    »Warum nicht? Wenn die Na­zis er­le­digt
sind?«
    »Die Deut­schen wer­den viel­leicht er­le­digt
sein, die Na­zis nicht. Die Na­zis sind ja nicht vom Mars her­un­ter­ge­fal­len und
ha­ben Deutsch­land ver­ge­wal­tigt«, sag­te er. »Das glau­ben viel­leicht noch je­ne,
die Deutsch­land 1933 ver­las­sen ha­ben. Ich bin noch jah­re­lang da­ge­we­sen. Ich
ha­be das Ge­brüll im Ra­dio ge­hört, das fet­te blut­rüns­ti­ge Ge­schrei in den
Ver­samm­lun­gen. Das war nicht mehr ei­ne Par­tei. Das war Deutsch­land.« Er horch­te
auf das Gram­mo­phon, das ›Ber­lin bleibt Ber­lin‹ spiel­te, ge­sun­gen von Sän­gern,
die in­zwi­schen im Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger oder in der Emi­gra­ti­on ge­lan­det wa­ren.
Bet­ty Stein und ein paar an­de­re lausch­ten ver­zückt, skep­tisch und sehn­süch­tig.
»Die wol­len uns drü­ben gar nicht wie­der­ha­ben«, sag­te Grä­fen­heim. »Kei­ner. Und
kei­nen.«
    ***
    Ich ging zum Ho­tel
zu­rück. Der Abend bei Bet­ty Stein hat­te mich me­lan­cho­lisch ge­macht. Ich dach­te
an Grä­fen­heim, der ver­such­te, sich ei­ne neue Exis­tenz auf­zu­bau­en. Wo­zu? Er
hat­te sei­ne Frau in Deutsch­land zu­rück­ge­las­sen. Sie war kei­ne Jü­din. Fünf Jah­re
hat­te sie dem Druck der Ge­sta­po stand­ge­hal­ten und sich nicht schei­den las­sen.
In die­sen fünf Jah­ren war die blü­hen­de Frau ein ner­vö­ses Wrack ge­wor­den. Man
hat­te Grä­fen­heim al­le paar Wo­chen zu ei­ner Ver­neh­mung ge­holt. Die Frau und er
hat­ten je­den Mor­gen von vier bis sie­ben Uhr ge­zit­tert; das war die Zeit, zu der
man ihn ge­wöhn­lich ab­hol­te. Die Ver­neh­mun­gen wa­ren manch­mal erst am an­de­ren
Ta­ge oder meh­re­re Ta­ge spä­ter. In der Zwi­schen­zeit war Grä­fen­heim in ei­ne Zel­le
ge­sperrt, in der auch an­de­re Ju­den

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