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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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vor­her nicht auf der Welt ge­we­sen.
    »Ge­fal­len sie Ih­nen?« frag­te Sil­vers.
    »Sie sind herr­lich.«
    »Bes­ser als die Ro­sen von Re­noir drü­ben an
der Wand?«
    »An­ders«, sag­te ich. »Wie kann man hier von
bes­ser re­den?«
    »Man kann. Wenn man Kunst­händ­ler ist.«
    »Die Ma­nets hier sind ein Au­gen­blick der
Schöp­fung, der Re­noir des blü­hen­den Le­bens.«
    Sil­vers wieg­te den Kopf. »Nicht schlecht.
Wa­ren Sie ein­mal Schrift­stel­ler?«
    »Nur ein lau­si­ger Jour­na­list.«
    »Sie ha­ben an­schei­nend das Zeug, über
Bil­der zu schrei­ben.«
    »Da­zu ver­ste­he ich viel zu we­nig.«
    Sil­vers setz­te wie­der sein dia­bo­li­sches
Lä­cheln auf. »Mei­nen Sie, die Leu­te, die über Bil­der schrei­ben, ver­ste­hen mehr?
Ich will Ih­nen ein Ge­heim­nis mit­tei­len. Über Bil­der kann man gar nicht
schrei­ben. Über Kunst auch nicht. Al­les, was dar­über ge­schrie­ben wird, ist da­zu
da, Ba­nau­sen auf­zu­klä­ren. Über Kunst kann man nicht schrei­ben. Man kann sie nur
füh­len.«
    Ich er­wi­der­te nichts.
    »Und ver­kau­fen«, sag­te Sil­vers, »das war es
doch, was Sie dach­ten?«
    »Nein«, er­wi­der­te ich wahr­heits­ge­treu.
»Aber wes­halb mei­nen Sie dann, ich hät­te das Zeug, dar­über zu schrei­ben? Weil nichts
dar­über zu schrei­ben ist?«
    »Viel­leicht ist das bes­ser, als ein
lau­si­ger Jour­na­list zu sein.«
    »Viel­leicht auch nicht. Viel­leicht ist es
bes­ser, ein lau­si­ger ehr­li­cher Jour­na­list zu sein als ein hoch­tra­ben­der
Phra­sen­dre­scher, der über Kunst­wer­ke schreibt.«
    Sil­vers lach­te. »Sie ha­ben die Ei­gen­schaft
vie­ler Eu­ro­pä­er. Sie den­ken in Ex­tre­men. Oder ist es die Ei­gen­schaft der
Ju­gend? Aber so jung sind Sie gar nicht mehr. Zwi­schen Ih­ren bei­den Ex­tre­men
lie­gen tau­send Va­ri­an­ten und Nu­an­cen. Und au­ßer­dem stim­men die Vor­aus­set­zun­gen
nicht. Se­hen Sie, ich woll­te Ma­ler wer­den. War es auch. Mit al­lem En­thu­si­as­mus
ein lau­si­ger Ma­ler. Jetzt bin ich Kunst­händ­ler. Mit al­lem Zy­nis­mus, den ein
Kunst­händ­ler hat. Ist et­was an­ders ge­wor­den? Ha­be ich die Kunst ver­ra­ten, weil
ich kei­ne schlech­ten Bil­der mehr ma­le, oder ha­be ich sie ver­ra­ten, weil ich sie
ver­kau­fe?«
    Sil­vers bot mir ei­ne Zi­gar­re an. »Ge­dan­ken
an ei­nem Som­mer­nach­mit­tag in New York«, sag­te er. »Ver­su­chen Sie ein­mal die­se
Zi­gar­re. Es ist die leich­tes­te Ha­van­na, die es gibt. Sind Sie Zi­gar­ren­rau­cher?«
    »Ich ha­be es da noch zu kei­ner
Un­ter­schei­dung ge­bracht. Ich ha­be ge­raucht, was mir in die Fin­ger kam.«
    »Wie glück­lich Sie sind!«
    Ich blick­te über­rascht auf. »Das ist mir
neu. Ich wuß­te nicht, daß man des­we­gen glück­lich sein kann.«
    »Sie ha­ben das al­les noch vor sich, das
Aus­wäh­len, das Ge­nie­ßen und das Er­mü­den. Zum Schluß bleibt nur das Er­mü­den. Je
wei­ter un­ten man an­fängt, um so län­ger dau­ert es, bis man da­zu kommt.«
    »Sie mei­nen, man soll­te als Bar­bar be­gin­nen?«
    »Wenn man kann.«
    Ich war plötz­lich ver­är­gert. Ich hat­te
ge­nug von Bar­ba­ren ge­se­hen. Die­se äs­the­ti­sche Sa­lonauf­fas­sung brauch­te ich
nicht, das war et­was für ru­hi­ge­re Zei­ten. Das par­fü­mier­te Ge­schwätz lag mir
nicht, auch nicht für acht Dol­lar am Tag. Ich zeig­te auf den Sta­pel
Pho­to­gra­phien. »Bei die­sen ist das Gut­ach­ten wohl ei­ne ein­fa­che­re Sa­che als bei
Bil­dern aus der Re­naissance«, sag­te ich. »Es ist ei­ne Dif­fe­renz von ei­ni­gen
Jahr­hun­der­ten. De­gas und Re­noir ha­ben ja noch bis in den Ers­ten Welt­krieg, ja
Re­noir so­gar noch dar­über hin­aus ge­lebt.«
    »Trotz­dem gibt es schon ge­nug falsche
Bil­der von ih­nen.«
    »Ist die lücken­lo­se Ex­per­ti­se da die
ein­zi­ge Si­cher­heit?«
    Sil­vers lä­chel­te. »Das, oder das Ge­fühl.
Man muß vie­le Hun­der­te von Bil­dern se­hen. Im­mer wie­der se­hen. Über vie­le Jah­re
hin­aus. Se­hen, stu­die­ren, ver­glei­chen. Und im­mer wie­der se­hen.«
    »Das klingt ganz gut«, sag­te ich. »Aber wie
kommt es, daß so vie­le Mu­se­ums­di­rek­to­ren falsche Ex­per­ti­sen ab­ge­ben?«
    »Ei­ni­ge ge­ben sie ab wi­der

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