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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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Ame­ri­ka­ner sind
groß­zü­gig. Sie sper­ren des­halb kei­nen ein. Nicht wie die Deut­schen.«
    »Und nicht wie die Rus­sen«, er­wi­der­te ich.
    Na­ta­scha Pe­trow­na lach­te. »Die Ame­ri­ka­ner
sper­ren auch Leu­te ein«, sag­te sie. »Die Ja­pa­ner, die hier le­ben.«
    »Und die Fran­zo­sen und die Emi­gran­ten, die
drü­ben leb­ten.«
    »Ich glau­be, über­all wer­den die Falschen
ein­ge­sperrt, wie?«
    »Das mag sein. Die Na­zis die­ser Stra­ße hier
sind je­den­falls frei. Kön­nen wir nicht an­ders­wo­hin fah­ren?«
    Na­ta­scha Pe­trow­na sah mich einen Au­gen­blick
schwei­gend an.
    »Ich bin sonst nicht so«, sag­te sie dann
nach­denk­lich. »Ir­gend et­was reizt mich bei Ih­nen.«
    »Wie schön. Es geht mir mit Ih­nen auch so.«
    Sie ach­te­te nicht auf mei­ne Ant­wort. »Es
ist ir­gend et­was wie ei­ne ver­steck­te Selbst­zu­frie­den­heit«, sag­te sie. »Et­was
Ver­stock­tes, an das man nicht her­an­kann. Aber man är­gert sich dar­über.
Ver­ste­hen Sie das?«
    »Oh­ne wei­te­res. Ich är­ge­re mich selbst
dar­über. Aber wo­zu sa­gen Sie es mir?«
    »Um Sie zu är­gern«, er­wi­der­te Na­ta­scha
Pe­trow­na. »Warum sonst? Und ich? Was reizt Sie an mir?«
    Ich lach­te. »Nichts«, sag­te ich.
    Sie stutz­te. Ich be­reu­te so­fort, was ich
ge­sagt hat­te, aber es war zu spät. »Sie ver­damm­ter Deut­scher«, sag­te sie. Ihr
Ge­sicht war blaß, und sie sah an mir vor­bei.
    »Es mag Sie in­ter­es­sie­ren, daß Deutsch­land
mich aus­ge­bür­gert hat«, er­wi­der­te ich und är­ger­te mich so­fort, auch das ge­sagt
zu ha­ben.
    »Kein Wun­der!« Na­ta­scha Pe­trow­na klopf­te an
die Schei­be. »Fah­ren Sie zum Ho­tel Reu­ben.«
    »Ver­zei­hen Sie, Ma­da­me, in wel­cher Stra­ße?«
frag­te der Chauf­feur.
    »Das Ho­tel, wo wir zu­letzt ge­hal­ten ha­ben.«
    »Sehr wohl.«
    »Sie brau­chen mich nicht zum Ho­tel zu
brin­gen«, sag­te ich. »Ich kann hier aus­stei­gen. Es fah­ren über­all Om­ni­bus­se.«
    »Wie sie wol­len. Hier sind Sie ja zu
Hau­se.«
    »Hal­ten Sie bit­te!« sag­te ich zu dem
Chauf­feur und stieg aus.
    »Vie­len Dank«, sag­te ich zu Na­ta­scha
Pe­trow­na. Sie ant­wor­te­te nicht. Sie stand auf der 86. Stra­ße in New York und
starr­te auf das Café Hin­den­burg, aus dem Blech­mu­sik er­scholl. Im Café Gei­ger
lag hei­mi­scher Kranz­ku­chen aus. Ne­ben­an hin­gen Blut­würs­te im Fens­ter. Um mich
her­um klan­gen deut­sche Lau­te. Ich hat­te mir in all den Jah­ren oft aus­ge­malt, wie
es wohl sein wür­de, wenn ich ein­mal zu­rück­kom­men wür­de, aber so hat­te ich es
mir nie­mals vor­ge­stellt.

IX.
    M ei­ne Ar­beit bei Sil­vers
be­stand zu­nächst dar­in, al­les zu ka­ta­lo­gi­sie­ren, was er je ver­kauft hat­te, und
die Pho­to­gra­phien, die es da­zu gab, mit den Auf­schrif­ten über die Her­kunft der
Bil­der zu ver­se­hen.
    »Bei al­ten Bil­dern be­steht die
Schwie­rig­keit im­mer in der Ex­per­ti­se«, er­klär­te Sil­vers. »Man weiß nicht von
al­len, wo­her sie kom­men. Bil­der sind wie Ari­sto­kra­ten, man muß ih­re Ah­nen­li­nie
bis zu dem Mann ver­fol­gen kön­nen, der sie ge­malt hat. Und es muß ei­ne
un­un­ter­bro­che­ne Li­nie sein, von der Kir­che X zum Kar­di­nal A, von der Samm­lung
der Fürs­ten Z bis schließ­lich zum Gum­mi­ma­gna­ten Ra­bi­no­witz oder zum
Au­to­mo­bil­kö­nig Ford. Sei­ten­sprün­ge gibt's da nicht.« – »Aber man kennt
doch das Bild?«
    »Man mag es ken­nen, aber die Pho­to­gra­phie
ist erst ei­ne Sa­che des spä­ten neun­zehn­ten Jahr­hun­derts. Und längst nicht von
al­len al­ten Bil­dern hat man Sti­che zum Ver­glei­chen an­ge­fer­tigt. Man ist da
häu­fig nur auf Ver­mu­tun­gen an­ge­wie­sen.« Sil­vers lä­chel­te dia­bo­lisch. »Und auf
Kunst­his­to­ri­ker.«
    Ich schich­te­te einen Pack Pho­tos zu­sam­men.
Zu­oberst la­gen vie­le far­bi­ge Pho­tos von Ma­nets. Es wa­ren Blu­men­bil­der klei­nen
For­mats, Päo­ni­en in ei­nem Was­ser­glas. Man konn­te die Blü­ten und das Was­ser
füh­len. Ei­ne wun­der­ba­re Ru­he ging von ih­nen aus und ei­ne Ener­gie, die rei­ne
Schöp­fung wa­ren: als hät­te der Ma­ler die­se Blu­men zum ers­ten Mal ge­schaf­fen und
als wä­ren sie

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