E.M. Remarque
Raum, der vollgestellt war mit
Möbeln und Gegenständen des 16. und 17. Jahrhunderts. An den Wänden waren neue
Ladungen von Teppichen gestapelt, mit Waffen, Speeren, alten Säbeln und
Harnischen dazwischen. Ich mußte an Silvers und seine Bemerkung über Cooper
denken und dann an das, was ich selbst über Silvers gedacht hatte. Ebenso wie
Silvers bei Cooper, so war ich bei Silvers aus der uninteressierten, objektiven
Beobachterrolle herausgetreten in Kritik und Subjektivität. Ich war nicht mehr
ein Zuschauer, dem im Grunde alles gleichgültig war – mir schien eher, daß
ich selbst in die Arena gegangen war. Ich nahm teil und hatte Abneigungen, die
ich vorher nicht gespürt hatte. Ich begriff, daß es an Zuneigung lag, die ich
ebenfalls früher nicht gespürt hatte. Ich fühlte mich wieder eingeschaltet in
das Wechselspiel des Daseins, ich stand nicht mehr beiseite, nur damit
beschäftigt, zu überleben, etwas Neues war fast unmerklich dazugekommen, etwas,
das meine falsche Sicherheit wie ein sehr fernes Rollen nicht mehr ganz so
sicher erscheinen ließ. Alles schwankte ein wenig. Ich war dabei, wieder Partei
zu nehmen, und das kam, das spürte ich deutlich, nicht vom Gehirn her. Es war
primitiver und hatte etwas mit der einfachen Abneigung des Mannes allen anderen
Männern gegenüber zu tun, der Abneigung gegen die Konkurrenten um die Frau. Ich
stand am Fenster des Auktionshauses, die Bronze in der Hand, hinter mir die
gähnende Halle mit dem Plunder verstaubter Vergangenheit, aber ich beobachtete
die Straße, auf der Natascha jeden Augenblick auftauchen konnte, und ich fühlte
die schwache Erregung, die mich gegen Silvers ungerecht hatte werden lassen und
die mich in weitere Ungerechtigkeiten treiben würde, ich spürte sie in meinen
Händen, es hatte mit Natascha zu tun, und ich wußte plötzlich, daß ich wieder
etwas wollte, das über das bloße Überleben hinausging und das an den Irrgarten
der Emotionen streifte, über dem die Fata Morganas lautlos hingen, und wo Recht
eines der belanglosesten Prinzipien war.
Ich legte die Bronze zurück. »Sie ist nicht
alt«, sagte ich zu dem Mann, der sie mir hereingeholt hatte, einem alten Wärter
mit schweißigem Haar, der Gummi kaute und dem nichts gleichgültiger war als
meine Ansicht. Die Bronze war alt, aber ich hatte, trotz meines neuen
Zustandes, genug Geistesgegenwart, mich zu hüten, es auszuposaunen. Langsam
ging ich die Straße hinauf, bis ich auf der gegenüberliegenden Seite zu dem
Restaurant kam, in dem ich mit Natascha gesessen hatte. Ich ging nicht hinein,
aber ich hatte das Gefühl, als phosphoreszierte der Eingang um eine Spur mehr
als die anderen daneben, obschon der nächste sogar zu einem Schaufenster der
Firma Bakkarat gehörte, das von Kristall und Gläsern nur so glänzte.
***
Ich holte Mrs. Whymper
ab. Sie wohnte in einem Haus in der Fifth Avenue. Ich war pünktlich da, aber
sie schien es nicht eilig zu haben. Ich sah keine anderen Bilder bei ihr als
ein paar Romneys und einen Ruisdael. »Ist es zu früh für einen Martini?« fragte
sie mich.
Ich sah, daß sie einen vor sich stehen
hatte. Er sah aus wie Wodka.
»Ist das ein Wodka-Martini?« fragte ich.
»Wodka-Martini? Was ist denn das? Dieser
hier ist aus Gin und einem Hauch Wermut.«
Ich erklärte ihr, daß ich im Hotel Reuben
gelernt habe, man könne statt des Gins auch Wodka nehmen.
»Das ist drollig. Wir müssen das einmal
probieren.« Mrs. Whymper schüttelte ihre Löckchen und drückte auf eine Klingel.
»John«, sagte sie zu dem eintretenden Diener. »Haben wir Wodka im Hause?«
»Jawohl, Madame.«
»Dann mischen Sie doch für Herrn Ross einen
Martini damit. Wodka statt Gin.« Sie wandte sich mir zu. »Französischen
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