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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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Wer­mut
oder ita­lie­ni­schen? Mit oder oh­ne Oli­ve?«
    »Fran­zö­si­schen Wer­mut. Und kei­ne Oli­ve. So
ha­be ich ihn ken­nen ge­lernt. Aber ma­chen Sie sich mei­net­we­gen kei­ne Mü­he. Ich
trin­ke auch einen Gin-Mar­ti­ni.«
    »Nein, nein! Man soll im­mer noch et­was
ler­nen, wenn man kann. Ma­chen Sie auch einen für mich, John. Ich will ihn
ein­mal pro­bie­ren.«
    Ich sah, daß die pup­pen­haf­te al­te Da­me ei­ne
Schnaps­dros­sel war und hoff­te nur, daß sie nüch­tern ge­nug bei Sil­vers an­lan­gen
wür­de.
    John brach­te die Glä­ser. »Chin Chin«, sag­te
Mrs. Whym­per fröh­lich und trank gie­rig.
    Sie schaff­te auf den ers­ten Schluck das
hal­be Glas. »Gut!« er­klär­te sie. »Wir müs­sen das hier ein­füh­ren, John. Schmeckt
herz­haft.«
    »Sehr wohl, Ma­da­me.«
    »Von wem ha­ben Sie das Re­zept?« frag­te sie
mich.
    »Von je­man­dem, der nicht woll­te, daß sein
Atem nach Al­ko­hol riecht. Er konn­te sich das nicht er­lau­ben und be­haup­te­te, bei
Wod­ka rö­che man das nicht.«
    »Wirk­lich nicht? Wie drol­lig! Ha­ben Sie es
pro­biert? Stimmt es?«
    »Es kann sein. Für mich war es nie
wich­tig.«
    »Nein? Ha­ben Sie nie­mand, bei dem es
wich­tig ist?«
    Ich lach­te. »Die Leu­te, die ich ken­ne,
trin­ken al­le selbst gern.«
    Mrs. Whym­per sah mich schräg von un­ten an
wie ein Vo­gel. »Es ist gut für das Herz«, sag­te sie dann un­ver­mit­telt. »Und
auch für den Kopf. Es macht klar. Wol­len wir noch je­der ein hal­b­es Glas neh­men.
Als Steig­bü­gel­trunk?«
    »Gern«, sag­te ich wi­der­stre­bend und sah
ei­ne lan­ge Rei­he hal­ber Steig­bü­gel­trun­ke vor­aus. Aber ich wur­de über­rascht.
Mrs. Whym­per stand auf, als wir den Steig­bü­gel­trunk hin­ter uns hat­ten, und
klin­gel­te. »Ist der Wa­gen drau­ßen, John?«
    »Ja­wohl, Ma­da­me.«
    »Gut. Dann wol­len wir mal Herrn Sil­vers
be­su­chen.«
    Ge­mein­sam ver­lie­ßen wir das Haus.
    Wir stie­gen in einen großen schwar­zen
Ca­dil­lac. Ich hat­te ko­mi­scher­wei­se nicht dar­an ge­dacht, daß Mrs. Whym­per ih­ren
ei­ge­nen Wa­gen neh­men wür­de, son­dern hat­te mir schon den Kopf zer­bro­chen, wo in
die­ser Ge­gend der nächs­te Ta­xi­stand sei. John kam aus dem Hau­se mit uns, um uns
zu fah­ren. Ich fand, daß mein Fort­schritt in Au­to­mo­bi­len nicht schlecht
sei – ein Rolls, ein Ca­dil­lac, bei­de mit Chauf­feu­ren, in so kur­z­er Zeit, da­ge­gen
war nichts zu sa­gen. Ich sah auch einen klei­nen Au­to­schrank, ähn­lich wie im
Rolls-Roy­ce, und hät­te mich nicht ge­wun­dert, wenn Mrs. Whym­per einen neu­en
Steig­bü­gel­trunk her­vor­ge­zau­bert hät­te, aber sie tat es nicht. Statt des­sen
un­ter­hielt sie sich mit mir über Frank­reich und Pa­ris in ei­nem ziem­lich
hol­pe­ri­gen, ame­ri­ka­ni­schen Fran­zö­sisch, auf das ich so­fort ein­ging, da es mir
oh­ne Mü­he ein Über­ge­wicht ver­schaff­te, das ich glaub­te bei Sil­vers brau­chen zu
kön­nen.
    Ich er­war­te­te, daß Sil­vers mich bald
weg­schi­cken wür­de, um sei­nen ei­ge­nen Char­me spie­len zu las­sen. Aber Mrs.
Whym­per hielt mich noch ei­ni­ge Zeit fest. Schließ­lich er­klär­te ich, ein paar
Wod­ka-Mar­ti­nis ma­chen zu wol­len. Mrs. Whym­per klatsch­te in die Hän­de. Sil­vers
sah mich stra­fend an, er hat­te al­len­falls mit ei­nem Scotch ge­rech­net und fand
al­les an­de­re bar­ba­risch. Ich er­klär­te ihm, daß der Arzt Mrs. Whym­per
Scotch-Whis­ky ver­bo­ten ha­be, und mach­te mich auf den Weg zur Kü­che. Ich fand,
mit Hil­fe der Kö­chin, schließ­lich auch ei­ne Fla­sche Wod­ka.
    »So was trin­ken Sie nach­mit­tags?« frag­te
die ha­ge­re Kö­chin.
    »Nicht ich. Die Kun­den.«
    »Sie soll­ten sich schä­men!«
    Es war son­der­bar, wie oft ich
ver­ant­wort­lich ge­macht wur­de für die Feh­ler an­de­rer Leu­te. Ich blieb am
Kü­chen­fens­ter ste­hen und schick­te die Kö­chin mit den Mar­ti­nis und dem Scotch zu
Sil­vers hin­über. Drau­ßen hock­ten Tau­ben auf der Fens­ter­bank. New York war, wie
Ve­ne­dig, so voll von ih­nen, daß sie zahm wa­ren und über­all her­um­flo­gen und
nis­te­ten. Ich fühl­te die Küh­le der Fens­ter­schei­ben an mei­ner Stirn. Wo wer­de
ich ein­mal en­den? dach­te ich. Die

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