E.M. Remarque
nur einen alten,
den er schon lange kannte. Ich nahm die drei Renoirs, die er gezeigt hatte, und
brachte sie in das Bilderzimmer.
***
»Der Rolls-Royce!« sagte ich, als
ich um die Ecke kam. Da stand er mit dem Chauffeur, und ich war glücklich. Ich
hatte darüber nachgedacht, wohin ich Natascha heute abend nehmen könnte, und
keinen Rat gewußt. Überall war es zu warm. Der Rolls-Royce war die Lösung.
»Hochstapelei scheint mir zu folgen wie ein
Schatten«, sagte ich. »Hast du den Wagen wieder bis zum Theaterschluß?«
»Länger«, erklärte Natascha. »Bis
Mitternacht. Um Mitternacht muß er vor El Morocco stehen.«
»Du auch?«
»Wir beide.«
»Mrs. Whymper hat einen Cadillac«, sagte
ich. »Hat sie vielleicht auch einen Rolls-Royce? Oder hast du einen neuen
Kunden für Silvers?«
»Das werden wir noch sehen. Wie ist es mit
Mrs. Whymper gegangen?«
»Sehr leicht. Sie hat einen sehr hübschen
Renoir gekauft. Er paßt in ihr Puppenheim.«
»Puppenheim«, sagte Natascha und lachte.
»Diese Puppe, die aussieht, als könne sie nur die Augen aufklappen und hilflos
in die Welt lächeln, ist Präsidentin von zwei großen Gesellschaften. Und dort
ist sie keine Frühstücksdirektorin. Sie weiß Bescheid.«
»Wirklich?«
»Du wirst noch deine Wunder erleben mit den
Frauen in Amerika.«
»Warum mit den Frauen in Amerika? Mir
genügen die Wunder mit dir, Natascha.«
Sie wurde zu meinem Erstaunen rot bis in
die Haarwurzeln.
»Genügen dir die?« murmelte sie. »Ich
glaube, ich muß dich öfter zu Frauen wie Mrs. Whymper schicken. Du kommst mit
überraschenden Ergebnissen zurück.«
Ich schmunzelte.
»Fahren wir doch zum Hudson hinaus«, sagte
Natascha. »Erst zu den Piers mit den Ozeandampfern und dann den Hudson entlang,
bis zur George-Washington-Brücke und weiter, am Wasser entlang, bis wir an eine
kleine Kneipe kommen, die uns gefällt. Mir ist heute nach kleinen Kneipen und
Mondlicht und Flußdampfern zumute. Ich möchte eigentlich lieber mit dir nach
Fontainebleau fahren, wenn der Krieg zu Ende wäre, aber dort würden mir als der
Geliebten eines Deutschen die Haare geschoren, und du würdest als Staatsfeind
an die Mauer gestellt werden. Bleiben wir also bei Hamburgern und Coca-Cola in diesem
merkwürdigen Land.«
Sie lehnte sich an mich. Ich fühlte ihr
Haar und ihre kühle Wärme. Sie wirkte immer, als würde sie nie schwitzen,
selbst in diesen heißen Tagen. »Warst du ein guter Journalist?« fragte sie.
»Nein. Zweiten Ranges.«
»Und jetzt kannst du nicht mehr schreiben?«
»Für wen? Ich kann nicht genug Englisch.
Ich habe schon lange nicht mehr schreiben können.«
»Dann bist du wie ein Klavierspieler ohne
Klavier?«
»So kann man es nennen. Hat dein
unbekannter Gönner dir etwas zu trinken hinterlassen?«
»Wir wollen einmal sehen. Du willst nicht
gern über dich sprechen?«
»Nicht besonders.«
»Das kann ich verstehen. Auch nicht über
deinen jetzigen Beruf?«
»Als Schlepper und Laufjunge?«
Natascha öffnete das Fach mit den Flaschen.
»Du siehst, wir sind Schatten«, sagte sie. »Sonderbare Schatten von früher.
Wird es je anders werden? Da ist polnischer Wodka! Wie er wohl dazu gekommen
ist? Polen existiert doch gar nicht mehr.«
»Nein«, erwiderte ich bitter. »Polen
existiert nicht mehr. Aber polnischer Wodka hat überlebt. Soll man darüber
lachen oder weinen?«
»Man soll ihn trinken, Liebling.«
Sie holte zwei Gläser hervor und schenkte
ein. Der Wodka war sehr gut und sogar kalt. In dem kleinen eingebauten Schrank
war auch ein Kühlfach angebracht. »Zwei Schatten in einem Rolls-Royce«, sagte
ich. »Mit kaltem polnischem Wodka. Salute, Natascha!«
»Könntest du Soldat werden?« fragte sie.
»Wenn du wolltest.«
»Nein. Niemand will mich haben. Hier bin
ich ein feindlicher Ausländer und muß froh sein, daß man mich
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