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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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Fet­zen Pa­pier
hät­te. Es wür­de gleich­gül­tig sein, ob man ei­ne Fa­mi­lie er­mor­det oder ei­ne Bank
be­raubt hät­te – der Mann wür­de sa­lu­tie­ren. Aber selbst Chris­tus oh­ne Paß –
heu­te wür­de er im Ge­fäng­nis ver­kom­men. Er wür­de oh­ne­hin lan­ge vor sei­nem
drei­und­drei­ßigs­ten Jah­re er­schla­gen wor­den sein.
    »Sie blei­ben hier, bis sich das ge­klärt hat«, sag­te
Fer­nand. »Ich wer­de da­für sor­gen.«
    »Schön«, sag­te Ra­vic.
    Fer­nand stampf­te hin­aus. Der zwei­te Be­am­te kram­te in
sei­nen Pa­pie­ren. »Mein Herr«, sag­te er dann, »es tut mir leid. Er ist ver­rückt
mit die­sen Sa­chen.«
    »Macht nichts.«
    »Sind wir fer­tig?« frag­te ei­ner der Ar­bei­ter.
    »Ja.«
    »Gut.« Er wand­te sich an Ra­vic. »Wenn die Welt­re­vo­lu­ti­on
kommt, brau­chen Sie kei­nen Paß mehr.«
    »Sie müs­sen ver­ste­hen, mein Herr«, sag­te der Be­am­te.
»Fer­n­ands Va­ter ist im Welt­krieg ge­fal­len. Da­her haßt er die Deut­schen und
macht sol­che Sa­chen.« Er sah Ra­vic einen Au­gen­blick ver­le­gen an. Er ahn­te
schein­bar, was los war. »Tut mir furcht­bar leid, mein Herr. Wenn ich al­lein
wä­re ...«
    »Macht nichts.« Ra­vic sah sich um. »Kann ich ein­mal
te­le­fo­nie­ren, be­vor die­ser Fer­nand zu­rück­kommt?«
    »Na­tür­lich. Drü­ben am Tisch. Tun Sie es rasch.«
    Ra­vic te­le­fo­nier­te mit Mo­ro­sow. Er er­klär­te ihm auf
deutsch, was ge­sche­hen war. Er möch­te Ve­ber Be­scheid sa­gen.
    »Jo­an auch?« frag­te Mo­ro­sow.
    Ra­vic zö­ger­te. »Nein. Noch nicht. Sag ihr, ich sei
zu­rück­ge­hal­ten wor­den, aber in zwei, drei Ta­gen sei al­les in Ord­nung. Küm­me­re
dich um sie.«
    »Schön«, er­wi­der­te Mo­ro­sow nicht all­zu en­thu­sias­tisch.
»Schön, Woz­zek.«
    Ra­vic leg­te das Te­le­fon nie­der, als Fer­nand her­ein­kam.
»Was spra­chen Sie da ge­ra­de?« frag­te er grin­send. »Tsche­chisch?«
    »Es­pe­ran­to«, er­wi­der­te Ra­vic.
    Ve­ber kam am nächs­ten Vor­mit­tag. »Ei­ne ver­damm­te
Bu­de«, sag­te er und sah sich um.
    »Fran­zö­si­sche Ge­fäng­nis­se sind noch rich­ti­ge
Ge­fäng­nis­se«, er­wi­der­te Ra­vic. »Nicht an­gefault von Hu­ma­ni­täts­du­se­lei. Gu­tes,
stin­ken­des, acht­zehn­tes Jahr­hun­dert.«
    »Zum Kot­zen«, sag­te Ve­ber. »Zum Kot­zen, daß Sie da
’rein­ge­ra­ten sind.«
    »Man soll kei­ne gu­ten Ta­ten aus­üben. Rächt sich so­fort.
Ich hät­te die Frau ver­blu­ten las­sen sol­len. Wir le­ben in ei­nem ei­ser­nen
Zeit­al­ter, Ve­ber.«
    »In ei­nem guß­ei­ser­nen. Ha­ben die Brü­der ’raus­ge­kriegt,
daß Sie il­le­gal hier sind?«
    »Na­tür­lich.«
    »Die Adres­se auch?«
    »Na­tür­lich nicht. Ich wer­de das al­te ›In­ter­na­tio­nal‹ doch
nicht bloß­stel­len. Die Wir­tin wür­de ei­ne Stra­fe be­kom­men, weil sie
un­an­ge­mel­de­te Gäs­te hat. Und ei­ne Raz­zia wür­de er­fol­gen, bei der man ein
Dut­zend Re­fu­giés schnap­pen wür­de. Als Adres­se ha­be ich dies­mal das Ho­tel
Lan­cas­ter an­ge­ge­ben. Teu­res, fei­nes, klei­nes Ho­tel. Ha­be da in mei­nem frü­he­ren
Le­ben mal ge­wohnt.«
    »Und Ihr neu­er Na­me ist Woz­zek?«
    »Wla­di­mir Woz­zek.« Ra­vic grins­te. »Mein vier­ter.«
    »Schei­ße«, sag­te Ve­ber. »Was kön­nen wir tun, Ra­vic?«
    »Nicht viel. Die Haupt­sa­che ist, daß die Brü­der nicht
’raus­krie­gen, daß ich schon ein paar­mal hier war. Das gibt sonst sechs Mo­na­te
Ge­fäng­nis.«
    »Ver­dammt.«
    »Ja, die Welt wird täg­lich hu­ma­ner. Le­be ge­fähr­lich, sag­te
Nietz­sche. Die Emi­gran­ten tun es – wi­der Wil­len.«
    »Und wenn man es nicht her­aus­fin­det?«
    »Vier­zehn Ta­ge, den­ke ich. Und die be­kann­te Aus­wei­sung.«
    »Und dann?«
    »Dann kom­me ich wie­der.«
    »Bis Sie wie­der ge­schnappt wer­den.«
    »Ge­nau­so. Dies­mal hat es lan­ge ge­dau­ert. Zwei Jah­re. Ein
Men­schen­le­ben.«
    »Wir müs­sen da et­was ma­chen. Das geht nicht mehr so
wei­ter.«
    »Doch, es geht. Was wol­len Sie schon ma­chen?«
    Ve­ber dach­te nach. »Du­rant«, sag­te er dann plötz­lich.
»Na­tür­lich! Du­rant kennt einen Hau­fen Leu­te und hat Ein­fluß …« Er un­ter­brach
sich. »Mein Gott, Sie

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